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London Road - Geheime Leidenschaft

London Road - Geheime Leidenschaft

Titel: London Road - Geheime Leidenschaft Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Samantha Young
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zwei: das mitleidheischende Opfer oder die gemeine Hexe. Jetzt war das mitleidheischende Opfer dran. »Es tut mir leid.« Sie atmete stockend und begann leise zu weinen. »Ich hab’s nicht so gemeint. Ich hab dich doch lieb.«
    »Ich weiß.« Ich stand auf. »Aber ich kann dir trotzdem nichts zu trinken besorgen, Mum.«
    Sie setzte sich auf und verzog das Gesicht. Ihre Finger zitterten, als sie nach ihrem Portemonnaie auf dem Nachttisch griff. »Dann holt Cole mir eben was. Ich hab Geld.«
    »Mum, Cole ist viel zu jung. Niemand würde ihm Alkohol verkaufen.« So war es mir lieber, als wenn sie geglaubt hätte, dass er ihr nicht helfen wollte. Er sollte nicht ihren Hasstiraden ausgesetzt sein, während ich arbeiten war.
    Ihr Arm fiel herab. »Hilfst du mir hoch?«
    Das bedeutete, dass sie selbst losgehen und sich Nachschub besorgen würde. Ich biss mir auf die Zunge. Nur ja keinen Streit anfangen. Ich musste dafür sorgen, dass sie während meiner Abwesenheit keinen Ärger machte. »Ich fege erst die Scherben auf, dann komme ich zurück und helfe dir.«
    Als ich aus ihrem Zimmer kam, wartete Cole bereits an der Tür. Er streckte die Hände aus. »Gib her.« Mit einem Nicken deutete er auf Kehrblech und Handfeger. »Dann kannst du ihr helfen.«
    Ein dumpfer Schmerz pochte in meiner Brust. Er war so ein lieber Junge. »Wenn du fertig bist, nimm deinen Comic und geh in dein Zimmer. Besser, du läufst ihr heute Abend nicht mehr über den Weg.«
    Er nickte, aber ich bemerkte seine eckigen Bewegungen, als er sich von mir abwandte. Er wurde immer älter, und sein Frust über unsere Situation und seine Hilflosigkeit wuchsen. In vier Jahren wurde er achtzehn, dann konnten wir endlich von hier verschwinden.
    Als Joss die Wahrheit über meine Situation erfahren hatte, hatte sie mich gefragt, warum ich mir nicht einfach Cole schnappte und unsere Mutter verließ. Das wagte ich deshalb nicht, weil Mum mir schon einmal mit der Polizei gedroht hatte für den Fall, dass ich es je versuchen sollte – diese Drohung war ihre Garantie dafür, dass wir bei ihr blieben, damit sie etwas zu essen hatte und nicht allein war. Ich traute mich nicht einmal, vor Gericht das Sorgerecht für Cole zu beantragen, weil das Risiko bestand, dass ich es nicht bekommen würde. Sobald das Jugendamt die Sache mit meiner Mutter erfuhr, würde man ihn höchstwahrscheinlich in eine Pflegefamilie geben. Außerdem würden die Behörden Kontakt zu unserem Vater aufnehmen, und den wollte ich in meinem ganzen Leben nie wiedersehen.
    Es dauerte eine halbe Stunde, Mum in einen halbwegs ausgehfertigen Zustand zu bringen. Darum, dass sie in unserer belebten Straße durch die Restaurants oder Kneipen tingelte, musste ich mir keine Sorgen machen, da sie sich ihres Zustandes genauso sehr zu schämen schien wie wir. Der Durst war das Einzige, was sie vor die Tür trieb, und selbst das kam nur selten vor, weil sie den Großteil ihres Vorrats mittlerweile im Internet bestellte.
    Als ich mich gewaschen und für die Arbeit umgezogen hatte, war Mum mit mehreren Ginflaschen zurückgekehrt. Sie hatte sich vor den Fernseher gesetzt, und ich war froh, dass Cole in seinem Zimmer war. Ich steckte kurz den Kopf bei ihm rein und bat ihn wie immer, mich im Club anzurufen, falls er mich brauchte.
    Von Mum verabschiedete ich mich nicht. Wozu auch?
    Stattdessen verließ ich das Haus und bereitete mich mental auf den Abend vor. Meine Sorgen und meine Wut schob ich beiseite, damit ich mich ganz auf die Arbeit konzentrieren konnte. Ich hatte Lust zu laufen, deshalb war ich früher aufgebrochen. In raschem Tempo marschierte ich die London Road entlang, so dass ich bis zum Leith Walk statt der üblichen fünfzehn Minuten nur zehn brauchte. Sobald ich in unsere alte Straße einbog, verlangsamte ich meine Schritte. Die köstlichen Gerüche, die mir aus dem indischen Restaurant unter unserer ehemaligen Wohnung entgegenwehten, und die klare, kalte Abendluft machten mich munter. Ich ging die breite, lebendige Straße mit ihren vielen Restaurants und Läden entlang, am Edinburgh Playhouse und am Omni Centre vorbei, und wünschte mir, ich wäre unterwegs ins Kino oder Theater. Kurz vor dem Ende des Leith Walk überquerte ich die Straße und bog auf den Picardy Place ein. Als ich von dort aus in Richtung George Street weiterging, betete ich, dass ich nicht den ganzen restlichen Abend an den Vorfall zu Hause denken musste.
    Unsere Managerin Su hatte ziemlich eigentümliche Arbeitszeiten. Sie war fast

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