Long Dark Night
das steht fest«, sagte Monroe.
»Dreiviertelliterflasche mit billigem Fusel in der Tüte«, sagte Monoghan.
»Die muß sie sich geholt haben, als die Schnapsläden noch offen hatten.«
»Es ist Samstag, die haben die halbe Nacht geöffnet«, sagte Monroe.
»Wollte kein Risiko eingehen.«
»Tja, diesbezüglich muß sie sich keine Sorgen mehr machen.«
»Wer ist sie überhaupt, wißt ihr das schon?« fragte Carella.
Er hatte den Mantel aufgeknöpft, stand nun mit den Händen in den Hosentaschen da und sah zu der Toten hinab. Nur seine Augen verrieten, daß er einen gewissen Schmerz empfand. Er dachte, er hätte fragen sollen: Wer war sie? Weil irgend jemand sie zu nichts weiter als einer Leiche in einer Pfütze billigen Whiskys reduziert hatte.
»Wollte sie nicht anrühren, bis der Leichenbeschauer hier ist«, sagte Monroe.
Bitte, dachte Carella, keine Fei…
»Er ist wahrscheinlich auch auf ‘ner Feier«, sagte Monoghan.
Mitternacht war ohne jede Fanfare gekommen und wieder gegangen.
Aber der Morgen würde ihnen noch sehr lange wie die Nacht vorkommen.
Es überraschte eigentlich niemanden übermäßig, als der Polizeiarzt Schußverletzungen als offensichtliche Todesursache angab. Und zwar, noch bevor jemand von der Spurensicherung zwei verformte Kugeln in der Tür hinter der alten Frau entdeckte, und eine weitere in der Fußleiste hinter der Katze. Es schien sich um Kugeln vom Kaliber .38 zu handeln, doch nicht einmal die kreativen Mentoren waren zu einer Spekulation bereit. Der Techniker tütete sie ein und kennzeichnete sie für den Transport ins Labor.
Weder auf dem Fensterbrett noch auf dem Rahmen oder der Feuertreppe draußen fanden sie Fingerabdrücke. Zur allgemeinen Erleichterung kam der Techniker von der Spurensicherung, der draußen gewesen war, wieder herein und machte das Fenster hinter sich zu. Sie zogen die Mäntel aus.
Der Hausmeister des Gebäudes teilte ihnen mit, die Tote sei Mrs. Helder. Er glaube, sie käme aus Rußland oder so. Oder aus Deutschland, er sei sich da nicht sicher. Sie habe seit fast drei Jahren hier gewohnt. Sehr ruhige Mieterin, habe’nie Ärger gemacht. Aber er glaube, sie zwitscherte sich wohl ganz gern einen.
Bei der Wohnung handelte es sich um ein sogenanntes Ein-Zimmer-Apartment. In dieser Stadt waren einige solcher Apartments in Wirklichkeit L-förmige Studios, aber das hier war tatsächlich eine Wohnung mit einem separaten Schlafzimmer, wenn auch einem winzigen. Es lag zur Straße, was insofern ungünstig war, da der Lärm der Autohupen niemals aufhörte und einfach unerträglich war, selbst zu dieser Nachtstunde. Das Haus, in dem Mrs. Helder wohnte, lag an der Lincoln Street, in der Nähe des River Harb und des Fischmarkts, der von Osten nach Westen über vier Häuserblocks an den Docks verlief. Kein besonders attraktiver Teil der Stadt.
Das Team hatte um Viertel vor zwölf den Dienst angetreten und würde wiederum um Viertel vor acht morgens abgelöst werden. Einige amerikanische Städte hatten die sogenannte Friedhofsschicht abgeschafft, weil bei vielen polizeilichen Ermittlungen keine unmittelbare Reaktion erforderlich war. Das galt nicht bei Mordfällen, bei denen jede Verzögerung dem Täter einen nur schwer aufholbaren Vorsprung verlieh. In jenen Städten unterhielt das Polizeipräsidium - oder Central oder Metro Station, welcher Begriff auch immer sich dort durchgesetzt hatte - einen Bereitschaftsdienst und konnte die ihm zugeteilten Detectives innerhalb von einer Minute aus dem Bett klingeln. Nicht so in dieser Stadt. In dieser Stadt fuhr man Schichtdienst, und wer an der Reihe war, schob einen Monat lang Alorgewschicht, wie sie offiziell hieß. Die Friedhofsschicht, wie sie allgemein und keineswegs liebevoll genannt wurde, brachte die innere Uhr völlig aus dem Rhythmus und versaute einem auch noch das Geschlechtsleben. Jetzt war es fünf Minuten nach Mitternacht. In genau sieben Stunden und vierzig Minuten würde die Tagschicht sie ablösen, und die Detectives konnten nach Hause fahren und schlafen. Derweil befanden sie sich in einem winzigen Ein-Zimmer-Apartment, das nach Fusel und etwas anderem stank, von dem ihnen ganz allmählich aufging, daß es Katzenpisse war. Der Küchenboden war mit Fischknochen und den Überresten zahlreicher Fischköpfe bedeckt.
»Warum er wohl die Katze erschossen hat?« fragte Monroe.
»Vielleicht hat die Katze gebellt«, vermutete Monoghan.
»Es gibt Bücher, in denen Katzen Mordfälle lösen«, sagte
Weitere Kostenlose Bücher