Lord Camerons Versuchung
sehr viel älterer Ehemann lebte nicht mehr, und Ainsley Douglas wechselte, so hatte Isabella es berichtet, zwischen ihrer Tätigkeit als bezahlte Kammerfrau Ihrer Majestät Verdrießlichkeit und dem Leben bei ihrem älteren Bruder und seiner sehr respektablen Gattin hin und her. Nicht länger das naive kleine Mädchen, war Mrs Douglas inzwischen eine Lady, deren Los es geworden war, andere zu bedienen, um ihren Lebensunterhalt zu bestreiten.
Arme kleine Taube.
Cameron ließ sich auf dem Bett nieder, lehnte sich mit dem Rücken an das Kopfteil und streckte die Hand nach den Zigarren auf dem Nachttisch aus. »Das Schloss ist antik«, sagte er zu dem nackten Oval ihres Rückens. »Viel Erfolg damit.«
»Keine Sorge«, erwiderte sie, während sie weiter darin herumstocherte. »Bis jetzt ist mir noch kein Schloss begegnet, das ich nicht öffnen konnte.«
Cameron zündete den Stumpen an, der Geruch des Schwefelhölzchens und der Zigarrenrauch stiegen ihm in die Nase. »Sehr überzeugend in Ihrer Rolle als Kriminelle! Das letzte Mal sind Sie hier eingebrochen, um ein Halsband zu stehlen. Warum sind Sie dieses Mal hier? Erpressung?«
Ainsley warf ihm einen raschen Blick zu, ihr Gesicht war leicht gerötet. »Erpressung?«
»Ich würde Ihnen nicht raten, Phyllida Chase zu erpressen, mein Täubchen. Sie würde Sie zum Frühstück verspeisen.«
Ainsley bedachte ihn mit einem flüchtigen, spöttischen Blick und wandte sich dann wieder der Tür zu. »Ich und Mrs Chase erpressen? Wohl kaum. Und das mit dem Halsband habe ich Isabella erklärt. Ich dachte wirklich, es gehöre Mrs Jennings.«
Cameron warf das benutzte Schwefelhölzchen in eine Schale. »Das dämliche Halsband interessiert mich nicht mehr, das ist lange her. Und alberne Intrigen von rachedurstigen Frauen interessieren mich ebenfalls nicht.«
»Ich bin sehr erfreut, das zu hören, Lord Cameron«, sagte Ainsley, während sie sich auf das Schloss konzentrierte.
Warum klang sein Name wie Musik, wenn sie ihn aussprach? Cameron lehnte sich zurück und zog an seiner Zigarre. Er hätte eigentlich die feinen, gepressten, mit Brandy getränkten Blätter schmecken müssen, aber es hätte ebenso gut ein verkohlter Stock sein können, so wenig war ihm bewusst, was er rauchte.
Wäre er nicht so betrunken, dann würde er einfach die Tür aufschließen, sie hinauslassen und vergessen. Aber die Bilder der Nacht von vor sechs Jahren tauchten beständig vor ihm auf – die Wärme ihrer Haut, ihre zögernde, aber sehnsüchtige Berührung, ihr rasch eingezogener Atem, als er ihren Busen geküsst hatte.
Sie war jetzt sechs Jahre älter, und das graue Kleid passte nicht zu ihr, aber die Zeit hatte ihre Schönheit noch vermehrt. Üppige Brüste rundeten sich über dem Ausschnitt ihres Dekolletés, und ihre Hüften waren ein wenig breiter geworden und zeichneten sich verführerisch unter dem engen Rock ihres Kleides ab. In ihrem Gesicht spiegelte sich größere Erfahrung, ihre grauen Augen schauten skeptischer in die Welt, ihre Selbstbeherrschung war ausgeprägter.
Falls Cameron sie überzeugen konnte, heute Nacht zu bleiben, würde er endlich den heißen sinnlichen Geschmack Ainsley Douglas’ kosten können, der ihn all diese Jahre verhext hatte. Warm, nach Zimt duftend, seidig glatt. Er würde sie gegen die Tür drücken, ihre Haut lecken, die feucht von Schweiß war, er würde ihr sagen, was er wirklich als Gegenleistung dafür wollte, dass er sie gehen ließ. Alles, was er begehrte, war, das zu Ende zu bringen, was sie vor sechs Jahren begonnen hatten, und danach würde er die Tür aufschließen und sie hinauslassen.
Cameron zwang sich, die Augen von ihr abzuwenden und erneut an seiner Zigarre zu ziehen. Sein herumwandernder Blick fiel auf seine Jacke, die er aufs Bett geworfen hatte, und die Ecke eines Blattes Papier, das aus der Tasche hervorschaute.
Er hatte den Brief vergessen, oder was immer es war, das Phyllida ihm früher an diesem Tag zugesteckt hatte. Sie hatte ihn gebeten, es sicher für sie zu verwahren, und Cameron hatte das Blatt Papier uninteressiert eingesteckt. Sein Kammerdiener Angelo musste es gefunden und für wichtig genug gehalten haben, es in die Jacke von Camerons Abendanzug zu stecken.
Cameron zog das Blatt heraus und entfaltete es. Es war offenbar eine Seite eines Briefes, Anrede und Unterschrift fehlten. Seine Augenbrauen hoben sich, als er zu lesen begann. Es war eine unerträglich süßliche Lobhudelei über die Stärken eines offenbar sehr
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