Lord Camerons Versuchung
virilen Mannes. Die Worte ertranken in Ausrufezeichen und Unterstreichungen. Der Stil war sentimental und schwülstig und passte ganz und gar nicht zu Ainsley Douglas.
Er hob das Blatt hoch. »Suchten Sie vielleicht das hier, Mrs Douglas?«
Ainsley wandte sich um und stand langsam auf. Das Erschrecken und die Bestürzung auf ihrem Gesicht verrieten Cameron alles, was er wissen musste.
»Der Brief gehört Ihnen nicht«, sagte sie.
»Gott, das hoffe ich doch. ›Deine hohe Stirn ist benetzt wie mit honigsüßem Tau, deine Muskeln sind wie die des Vulcanus in seiner Schmiede.‹ Wie lange haben Sie gebraucht, sich dieses Gewäsch auszudenken?«
Ainsley ging zu ihm, blieb vor dem Bett stehen und streckte die Hand aus. »Geben Sie ihn mir.«
Cameron schaute auf die behandschuhte Hand, die ihm so energisch hingestreckt wurde, und wollte lachen. Sie erwartete von ihm, dass er das Blatt widerstandslos zurückgab, sie vielleicht sogar noch zur Tür geleitete und sich dafür entschuldigte, ihr Unannehmlichkeiten bereitet zu haben?
»An wen haben Sie das geschrieben?« Wer immer der Kerl war, er verdiente es nicht, dass diese schöne Frau ihm überhaupt schrieb, schon gar nicht einen so schrecklichen Brief wie diesen.
Sie wurde rot. »Er gehört mir nicht. Er gehört … einer Freundin. Kann ich ihn zurückhaben, bitte?«
Cameron faltete das Blatt wieder zusammen. »Nein.«
Sie blinzelte. »Warum nicht?«
»Weil Sie ihn so unbedingt haben wollen.«
Ainsleys Brust schmerzte. Lord Cameron lehnte sich auf seinem Bett zurück und lachte sie aus. Die Augen waren wie ein Funkeln von Gold, während er den Brief zwischen seinen kräftigen Fingern hin und her drehte. Seine Weste und sein Hemd standen offen und gönnten ihr einen Blick auf seine von dunklem Haar bedeckte Brust. Ein Mann, der sich für seine Geliebte entkleidet hatte. Der Kilt, der sonst bis zu seinen Knien reichte, war ein wenig hochgerutscht und gab die Narben frei, die sie gesehen hatte, als Mrs Chase ihre Hände unter dem Kleidungsstück gehabt hatte.
Lord Cameron war rüde und ganz und gar kein Gentleman, er war gefühllos und gefährlich. Er sammelte Erotika, hatte man ihr erzählt, sowohl Bücher als auch Bilder. Ainsley sah nichts davon hier herumliegen, obwohl das Gemälde über dem Nachttisch – eine Frau, die auf einem Bett saß und ihre Strümpfe anzog – schamlose Sinnlichkeit darstellte.
Aber auch wenn eine Lady Lord Cameron eigentlich nur mit Missbilligung oder gar Besorgnis ansehen durfte, brachte er doch Ainsleys Blut zum Prickeln. Er weckte Gefühle in ihr, die seit vielen Jahren wie abgestorben gewesen waren.
»Bitte geben Sie mir den Brief, Lord Cameron. Er ist sehr wichtig.«
Cameron machte einen Zug an seiner Zigarre und blies Ainsley den Rauch ins Gesicht. Sie hustete und wedelte ihn weg.
»Sie sind beschwipst«, sagte sie.
»Nein, ich bin verdammt betrunken und habe vor, noch betrunkener zu werden. Würden Sie mir bei einem Single Malt Gesellschaft leisten, Madam? Von Harts bestem Whisky.«
Die MacKenzies besaßen eine kleine Whiskybrennerei und vertrieben ihren Whisky in Schottland und hatten zudem ausgesuchte Kunden in England. Jeder wusste das. Laut Isabella war die Brennerei nur bescheiden erfolgreich gewesen, bis Hart sie geerbt hatte. Er und Ian hatten sie in ein sehr profitables Unternehmen verwandelt.
Ainsley stellte sich Cameron vor, wie er langsam einen Schluck Whisky trank, sich einen Tropfen von den Lippen leckte. Sie schluckte. »Falls ich Ihnen beweise, dass mir vor einem Whisky nicht graut, werden Sie mir dann den Brief geben und mich gehen lassen?«
»Nein.«
Ainsley stieß ein ärgerliches Schnauben aus. »Der Teufel soll Sie holen, Lord Cameron. Sie sind der unerträglichste, bösartigste –«
Sie griff urplötzlich nach dem Brief, aber Cameron reagierte sofort und hielt ihn außerhalb ihrer Reichweite. »Lassen Sie das, Mrs Douglas.«
Ainsley kniff die Augen zusammen und schlug zu, nicht nach dem Brief, sondern nach der Zigarre. Die brennende Zigarre entglitt Camerons Fingern und fiel auf die Bettdecke. Er griff sofort danach, knurrend.
»Verdammt, Weib.«
Schon war Ainsley mit einem Bein auf dem Bett und hatte die Hand um den Brief geschlossen, den er fallen gelassen hatte, um nach der Zigarre zu greifen. Im nächsten Moment fand sie sich rücklings auf dem Bett liegend wieder, und Lord Cameron lag auf ihr. Er hatte ihre Handgelenke mit einer großen Hand gepackt und streckte ihr die Arme über den
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