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Lord Gamma

Lord Gamma

Titel: Lord Gamma Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Marrak
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Beginn hatte sie sich in Gegenwart des Lichts bemüht, ihren Körper zu verbergen. Nun beunruhigt sie seine Anwesenheit nicht mehr. Es besitzt keine Augen, die ihren Körper mustern. Falls es (oder irgend etwas jenseits von ihm) sie dennoch betrachtet, stört es sie nicht.
     
    Als das Licht von ihr weicht und sie ihre Augen öffnet, geht ihr Blick ins Leere. Sie zieht ihre Knie ans Kinn, umklammert sie mit beiden Armen, kauert sich auf dem Sessel zusammen. Ihr Atem geht schwer und unruhig. Die Wärme des Wassers ist aus ihrem Körper gewichen, sie zittert und fühlt sich krank. Bilderfetzen laufen vor ihrem geistigen Auge ab, sich ständig wiederholend und unzusammenhängend, Erinnerungen an Berührungen, an Worte, an Stans Haut, den gemeinsamen Höhepunkt, den Fahrtwind, das Abendrot, die Angst, den alles beendenden Schuß …
    Sie zuckt zusammen, entspannt sich nur langsam, wirft scheu einen Blick ins Licht. Da sind noch die anderen Erinnerungen, die sie beschämen; fremde Hände, die sie streicheln, nackte Körper … Wieder ein paar corpi delicti mehr für das schlechte Gewissen. Das Licht bleibt stumm, wartet, bis sie sich wieder gefangen hat und den Anfang macht. Sie steht auf, geht hinüber zum Tisch, füllt ein Glas mit Wasser und trinkt es hastig aus.
    »Diese Leere danach«, sagt sie abwesend, »dieses absolute Nichts. Ständig warte ich, daß noch irgend etwas folgt, ein Bild, ein Eindruck, irgendein Gefühl. Aber die Leere bleibt. Sie ist so endgültig.«
    »Du hast Angst, daß dieses Nichts eines Tages auch dich erwartet …«, stellt das Licht fest.
    »Ich – ja.« Sie geht zum Bett, setzt sich darauf und hüllt sich in die dünne Decke. Das Licht folgt ihr ein paar Meter nach. »Ich weiß, daß das, was ich erlebe und nachfühle, kein menschlicher Tod ist, nur das Ende einer künstlichen Existenz. Ein Ausschalten. Aber dieser Klon … sein Bewußtsein ist so wirklich, so lebendig, ebenso wie die Leere.«
    »Im Grunde gibt es keine Leere, Prill. Was du mit seiner Seele verbindest, existiert nun in dir weiter. Du bist für jeden deiner Klone das Leben nach dem Tod. Du darfst nicht dorthin zurücksehen, wo die Existenz geendet hat, sondern in dich hinein, an den Ort, wo sie weiter lebt.«
    Sie quält sich ein Lächeln ab.
    »Glaubt du an ein Leben nach dem Tod?« fragt die Stimme.
    »Du meinst, an Gott?«
    »An etwas, das danach kommt. An ein Jenseits.«
    Sie schweigt lange, sieht ins Licht. Absolutes Licht, ohne Ursprung. Es wartet geduldig, bis sie antwortet. »Nein, es ist kein Glaube«, bekennt sie leise. »Es ist eine Hoffnung. Der Wunsch, daß nicht alles verlorengeht. Meine Erinnerungen, meine Gefühle. Ich denke so gerne an früher, an Dinge, die geschehen sind, an die unwiederbringliche Einmaligkeit, die mit ihnen verbunden ist. An die Fähigkeit, Freude und Glück zu empfinden, oder Traurigkeit, oder Wehmut. Und selbst, wenn es Wut oder Haß ist, so ist es doch etwas, das ich in mir trage, etwas …« Sie verstummt, wendet sich vom Licht ab, hängt ihren Gedanken nach. »Ich glaube, letzten Endes wird es mich nicht mehr kümmern, falls es nicht so sein sollte«, resümiert sie, »wenn alles aufhört, auch die Erinnerungen. Wenn das Licht einfach ausgeht und nie wieder an. Ich habe nur solche Angst, daß da nichts mehr ist und ich mir dieses Nichts bewußt bin und es für alle Ewigkeiten bleiben werde. Ohne Erinnerungen und ohne die Fähigkeit, es je wieder mit irgendeinem Gefühl, mit irgend etwas Lebendigem zu füllen. Ohnmächtig, als Teil einer unvorstellbaren Leere. Diese Vorstellung ist so grausam.«
    »Ja, das ist sie«, pflichtet ihr die Stimme bei. »Du darfst nicht weiter daran denken.«
    Ihr Lachen ist bitter. »Wie soll ich das verhindern, wenn ich ständig mit meinem eigenen Tod konfrontiert werde?« Sie sinkt in sich zusammen, schüttelt den Kopf. »Wie kann Stan mir so etwas nur antun? Ich bin darauf nicht vorbereitet.«
    »Er leidet unter dem, was er tun muß, genauso wie du. Glaube und Zweifel kämpfen in ihm pausenlos um die Vorherrschaft. Aber er ist stark. Und er glaubt an dich. Wäre es nicht so, hätte ihn die Welt, in der er sich befindet, längst den Verstand gekostet. Ich könnte ihm die Zusammenhänge offenbaren, den Sinn und Zweck, doch es würde Milliarden von Leben gefährden, falls er mit diesem Wissen den Lords in die Hände fiele. Er muß den Weg gehen, ohne die Wahrheit zu kennen. Andererseits ist es dein eigener Wunsch, die Erinnerung zu bewahren. Jeder deiner

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