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Lord Gamma

Lord Gamma

Titel: Lord Gamma Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Marrak
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Klone teilt sie mit dir, wie du nun weißt. Ich respektiere diesen Wunsch. Die Klone sind ein Teil von dir, und du bist ein Teil von ihnen. Sie vereinen dieselben Ängste und Hoffnungen in sich wie du. Jede Prill in der Ebene besitzt dein Bewußtsein. Du weißt das. Du erinnerst dich.«
    Sie nickt, aber die Leere in ihr weicht nicht. Und wenn sie weicht, nimmt sie alle Gefühle mit sich. Der traumlose Schlaf zeugt davon.
    »Ich glaube, du brauchst ein wenig Zerstreuung« , mutmaßt das Licht. »Gibt es einen Ort in deiner Vergangenheit, den du gerne besucht hast?«
    »Ja.«
    »Erzähle mir von ihm.«

 
     
     
ZWEITER TEIL
     
Terrarium

 
Alphard 5
     
     
    DIE FROSTKALTEN STUFEN knackten unter unseren Füßen, der Treppenaufgang federte und ächzte. Die Sprossen und das Geländer waren von einer dünnen Eisschicht bedeckt und machten den Aufstieg zu einem riskanten Unterfangen. Es war, als bestiegen wir in einer Winternacht den Eiffelturm. Hinzu kam Prills Höhenangst, die ihr immer stärker zusetzte, je weiter es hinaufging. Sie atmete schwer und blickte beim Laufen beharrlich auf ihre Füße, aber nie über das Geländer oder nach unten. Ich fragte mich, woran sie wohl gerade dachte, um sich vom Abgrund abzulenken. Wir hatten mehr als die Hälfte der Treppe erklommen. Ich ließ Prill mit der Taschenlampe vorauslaufen und paßte mich ihrer Geschwindigkeit an. Die Anstrengung des Aufstiegs hatte längst die Kälte aus unseren Gliedern vertrieben.
    Ich machte mir Sorgen wegen des Wächters, der oben am Ende des Steges wartete. Aufgrund meines etwas ›überstürzten‹ Auftauchens in der Station konnte ich nicht mit Sicherheit sagen, ob das Pflanzenwesen eher auf akustische, visuelle oder seismische Reize reagierte. Daß es hören konnte, hatte es bewiesen. Allerdings hatte ich keine Augen an ihm erkannt, was nicht zwangsläufig bedeuten mußte, daß es blind war. Falls es jedoch vorwiegend auf Erschütterungen reagierte, mußte es längst wissen, daß jemand die Treppe heraufschlich.
    Ich hatte Prill von dem Wächter erzählt, wußte aber nicht, ob sie sich dieser Gefahr angesichts ihrer augenblicklichen Ängste noch bewußt war. Da sie die Taschenlampe unbeirrt auf ihre Füße richtete, konnte ich nicht erkennen, wie hoch wir noch steigen mußten, um den Steg zu erreichen. Hin und wieder erhaschte ich einen Blick in ihr Gesicht, wenn sie über mir den nächsten Treppenabsatz erreichte und die Laufrichtung wechselte. Ihre Miene war angespannt, ihre Augen weit aufgerissen, die Lippen zu einem schmalen Strich zusammengepreßt. Das, was sie augenblicklich durchstand, eine Mutprobe zu nennen, wäre wohl untertrieben.
    Noch immer regte sich nichts auf dem Steg, was mein Mißtrauen schürte. Das Zittern des Treppengerüstes, der Schein der Taschenlampe, das Knacken der Stufen; ausgeschlossen, daß das Pflanzenwesen nichts davon wahrnahm. War es etwa erfroren? Oder hatte Gamma nachgeholfen?
    Prill blieb plötzlich stehen und flüsterte etwas, das ihre Angst und ihren Unglauben in einem Wort ausdrückte. Sie leuchtete zum ersten Mal in die Höhe, und ich erkannte den Grund, weshalb der Wächter nicht auf die Erschütterungen des Treppengerüstes reagierte: es war überhaupt nicht mit dem Steg verbunden! Die Treppe endete etwa fünf Meter unterhalb des Steges in einer zwei Quadratmeter großen, geländerlosen Plattform. Weiter hinauf führte eine ungesicherte Steigeisenleiter. Ich schloß zu Prill auf. Sie starrte mich an, schüttelte den Kopf.
    »Das kann ich nicht!« preßte sie hervor, als wir schließlich auf der Plattform standen.
    Ich hielt ihr einen Zeigefinger vor die Lippen, lauschte. Kein Laut kam von oben. Prüfend strich ich mit der Hand über die Steigeisen. Sie waren eisfrei. Scheinbar war die Luft in dieser Höhe völlig trocken.
    »Es sind nur zwanzig Tritte«, flüsterte ich. »Ich leuchte dir mit der Lampe.«
    Widerstrebend umklammerte Prill die Sprosse in Höhe ihres Kopfes, ließ sie aber sofort wieder los. »Die ist lausekalt«, erklärte sie. »Ich hab jetzt schon kein Gefühl mehr in den Fingern.«
    Ich starrte sie an, zwang sie mit meinen Blicken geradezu, hinaufzuklettern. Prills Augen sprühten eine Sekunde lang Funken. Ein Clud befahl einer Sidd, wo es langging! Obwohl Prill bewußt war, daß ich kein Bewohner dieser Station war, machte ihr die verdrehte Hierarchie zu schaffen. Doch der Stolz siegte immerhin über ihre Angst. Sie hob den Kopf, wandte sich um und begann fast wütend die

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