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Lord Gamma

Lord Gamma

Titel: Lord Gamma Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Marrak
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kalt.«
    »Vielleicht eine Klimaröhre«, überlegte ich laut. Wenn wir Pech hatten und gerade durch einen Luftschacht der Klimaanlage krabbelten, würde uns früher oder später ein eisiger Orkan schockfrosten und durch das halbe Lüftungssystem blasen, sofern wir nicht rechtzeitig herausfanden. Mir graute bei der Vorstellung, plötzlich vor einem der Triebwerke zu sitzen und nicht mehr weiterzukommen. Ich wies Prill an, den Atem anzuhalten, und lauschte. Das einzige Rauschen jedoch, das an meine Ohren drang, war das meines eigenen Blutes.
    »Wie weit ist es noch?« wollte ich wissen.
    »Man müßte von hier aus eigentlich schon das Sperrgitter sehen«, erklärte Prill.
    Ich leuchtete nach vorn. Der Lichtstrahl reichte etwa vierzig Meter weit, dahinter herrschte Finsternis. »Ich sehe kein Gitter«, gab ich zu.
    »Die Lampe ist zu schwach«, mutmaßte Prill. »Noch ein paar Meter, dann siehst du es. Verdammt, mir frieren gleich die Finger ab.« Sie hauchte in ihre Hände.
    Das Sperrgitter tauchte auch nach weiteren zwanzig Metern nicht auf. Dafür wurde die Dunkelheit vor uns immer intensiver. Zuerst dachte ich, die Batterie der Lampe erlahmte, dann erkannte ich, was der lichtlose Kreis vor mir wirklich war.
    »Der Ausgang ist offen«, informierte ich Prill. Der Kegel meiner Taschenlampe verlor sich zehn Meter entfernt in einem finsteren Kreis, der den gesamten Tunneldurchmesser einnahm. Dahinter war weder eine Wand noch ein Boden zu erkennen.
    Prill kroch heran und lugte an mir vorbei zur Öffnung. »Als wir das letzte Mal hier waren, hat Hank das Gitter wieder geschlossen.«
    »Dann könnte es eine Falle sein«, gab ich zu bedenken. »Oder Hank war noch einmal hier, als du bereits den Läufer trugst. Vielleicht ahnt der Lord auch, was wir vorhaben. Warte hier, ich schau mir das erstmal an.« Ich kroch vor zum Ausgang und leuchtete in die Dunkelheit. Mein Atem stand mir als helle Wolke vor den Lippen. Hinter der Öffnung befand sich ein weiter, halbrunder Raum, dessen Wände sich vielleicht dreißig Meter entfernt in schwindelerregende Höhe verloren. Der Boden lag etwa zwei Meter unterhalb des Ausgangs und stand kniehoch unter Wasser. Ich sah genauer hin. Nein, es war kein Wasser, sondern kristallklares Eis! Unter mir lag ein gefrorener See. Die Temperatur dort draußen mußte weit unter dem Gefrierpunkt liegen.
    Als ich die Taschenlampe nach rechts schwenkte, riß ihr Schein unvermittelt ein bizarres Gebilde aus der Dunkelheit, das – größtenteils im Eis versunken – auf dem Grund lag. Seiner Verkleidung und der elektronischen Innereien weitestgehend beraubt, glich es einem riesigen, toten Insekt. Es besaß kaum noch Ähnlichkeit mit der eleganten, schwebenden Maschine, die es einmal gewesen war. Wie es aussah, war das Wasser erst gefroren, nachdem man sie bereits ausgeschlachtet hatte. Womöglich hing auch die Kälte, die im Schacht herrschte, mit ihrem Ausfall zusammen.
    Ich hatte den verschwundenen Wächter gefunden.
    Hier also hatte Hank sein Werk verrichtet und durch den Schacht die Einzelteile in die Station geschafft. Was aber nur bedeuten konnte, daß wir uns am Boden jenes Abgrunds befanden, über den der Steg lief, auf welchem ich bei meiner Ankunft die unangenehme Bekanntschaft des Pflanzenwesens gemacht hatte. Ich kroch zurück zu Prill und erzählte ihr von meinem Fund.
    »Ja, ich glaube, ich erinnere mich«, sagte sie. »Aber es sind nur Fragmente. Ich weiß noch, daß Hank uns dazu überredet hatte, den Wächter herunterzulocken, damit er … er wollte …« Prill überlegte angestrengt, schüttelte dann den Kopf. »Er hatte etwas mit ihm vor, aber ich weiß nicht mehr, was. Irgend etwas programmieren.«
    Programmieren, so, so … da hatte sich mein Mentor in Hank wohl ein wenig getäuscht. Der Gute hatte seine eigenen Pläne gehabt. Ich sah Prill an, fragte: »Sagt dir der Name Gamma etwas?«
    Prill dachte nach. »Nein«, meinte sie.
    »Hast du in der letzten Zeit Radio gehört?«
    Sie schüttelte den Kopf. »Ich glaube, während ich diesen Läufer an mir dran hatte, nicht. Zumindest nicht bewußt. Ich kann mich nicht einmal daran erinnern, wie ich gelebt habe, als dieses Ding an mir hing. Ich habe das Gefühl, diese Maschine hat mich gelebt, und nicht ich.«
    »Weißt du in etwa, seit wann?« wollte ich wissen.
    Prill schnaubte. »Gott im Himmel, nein. Vielleicht seit ein paar Wochen, vielleicht aber auch schon seit Monaten. Können wir jetzt weiter? Ich friere!«
    Ich sah sie nachdenklich

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