Lord Garrows widerspenstige Braut
schnell. Fast meinte sie, bei seinem Anblick ohnmächtig werden zu müssen.
"Was ist?" fragte er und sah sie scharf an.
"Du … du tropfst auf den Boden", stammelte sie.
Er zuckte mit den Schultern. Dann griff er nach dem losen Ende des Wolltuchs und rubbelte damit seinen Oberkörper trocken, während er nackt bis zur Hüfte war und seine Haut feucht glänzte. Ihr Atem stockte. Sie konnte kaum den Blick von ihm wenden, so dass sie wie angewurzelt stehen blieb.
"Was hat dein Vater geschrieben?" erkundigte er sich beiläufig.
Mit einer enormen Willensanstrengung wandte Susanna den Blick von ihm ab. Mit geheuchelter Fröhlichkeit erzählte sie ihm, dass sie bald Besuch erhalten würden. Dann hielt sie inne.
Er lehnte sich zu ihr. "Was ist los? Ist etwas mit deinem Vater?"
"Nein!" erklärte sie und war überrascht über die Besorgnis, die in seinen Worten mitschwang. "Vater geht es gut. Es ist nur … nun …" Sie konnte ihren Blick von dem feinen Haargekräusel auf seinem Oberkörper kaum lösen.
Er hob die Hand, um das rutschende Wolltuch wieder nach hinten zu werfen. "Ich trage nicht oft ein Plaid, Susanna. Aber es lohnt sich nicht, mir jetzt noch Abendkleidung überzuwerfen. Ich werde gleich zu Bett gehen."
"Trotzdem, James … es … schickt sich nicht", beharrte sie mit dünner Stimme.
"Es stört dich also", meinte er. Er klang eher neutral als enttäuscht. "Schade."
Nein, dachte Susanna, es stört mich nicht, es verwirrt mich. Mit großen Augen sah sie ihn unsicher an.
James machte einen Schritt zurück. Würdevoll erklärte er: "Ich bin Schotte. Ich kann zwar wie ein Engländer klingen, wenn es sein muss. Aber du solltest dich nicht darüber täuschen, was ich bin und immer sein werde. Meine Familie hat sich geweigert, für diesen Schlächter Cumberland das Plaid abzulegen. Und ich werde es auch für dich nicht tun."
Susanna wandte den Blick von ihm ab und räusperte sich. Mit der Hand schob sie den Brief, den sie gerade gelesen hatte, in seine Richtung. "Die nächsten Tage wirst du Hemden tragen müssen. Wir bekommen Besuch."
"Was?" fragte James.
Susanna verspürte Unbehagen, als sie daran dachte, wie Miranda Durston auf den schottischen Baron reagieren würde, den Susanna geheiratet hatte. Wenn sie wollte, konnte Miranda sehr verletzend sein. Schlimmer – sie konnte auch so provokant kokettieren wie eine Kurtisane. Miranda hatte Dutzende junger Männer verführt. Und wenn sie ihre Galane verlassen hatte, dann nie, ohne ihnen die Herzen gründlich zu brechen. Immer wieder hatte es auch Gerüchte über angebliche Affären mit verheirateten Herren gegeben …
Ich werde nicht nur Miranda und ihren Vetter vor den Schotten, sondern auch James vor Miranda schützen müssen, dachte Susanna besorgt. Sie rang sich um James willen ein Lächeln ab. "Mach dir keine Sorgen. Ich werde mich hier um unsere Gäste kümmern. Du wirst sicher in Galioch sein wollen, während ich Miss Durston und ihren Cousin beherberge."
"Du schämst dich doch nicht wegen mir, Susanna? Möchtest du mich aus dem Weg haben?"
"Die Antwort auf deine erste Frage lautet 'Nein', auf deine zweite 'Ja'", antwortete sie aufrichtig. "Wirst du wegfahren?"
Er stemmte die Hände in die Hüften. "Ich werde morgen bei Sonnenaufbruch nach Galioch aufbrechen und mir ansehen, was du dort bewerkstelligt hast, aber nein, ich werde nicht dort bleiben. Gegen Mittag komme ich nach Drevers zurück."
Es war sinnlos, ihm ihre Befürchtungen zu offenbaren. "Gut, dann werde ich dich gegen Mittag zurückerwarten", antwortete Susanna. "Es freut mich, dass du unsere Gäste empfangen willst. Wirklich, ich schäme mich deinetwegen nicht – ich war nur um dein Seelenheil besorgt. Miss Durston und ihr Begleiter werden ohnehin erst übermorgen eintreffen."
"Und warum sollte mein Seelenheil gefährdet sein?"
"Wegen Miranda Durston. Sie ist die Tochter des Geschäftspartners meines Vaters."
"Warum sollte ich mich vor einer jungen Miss fürchten?" Verständnislos sah er Susanna an.
Sie seufzte. "Du hast mich nicht verstanden." Es muss an der Sprache liegen, dachte sie. Auch die Versammlung im Ballsaal, wo sie die Schottinnen nicht hatten verstehen wollen, war an diesem Abend aus sprachlichen Gründen missglückt. Mit einem Mal fühlte sie sich sehr weit weg von zu Hause.
"Dann erkläre mir doch bitte, was du meinst!" bat James.
"Das wirst du früh genug feststellen", erwiderte Susanna bitter. "Wenn du mich jetzt entschuldigst – ich werde mich
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