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Lord Stonevilles Geheimnis

Lord Stonevilles Geheimnis

Titel: Lord Stonevilles Geheimnis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabrina Jeffries
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glauben. Ihr Vater hatte zwar in jüngster Zeit etwas abgebaut, aber sie hatte nicht damit gerechnet, dass er mit fünfundsechzig an plötzlichem Herzversagen in seinem Büro sterben würde.
      Ihr kam ein beunruhigender Gedanke. Wenn Nathan ihre letzten Briefe nicht bekommen hatte, dann wusste er noch gar nicht, dass Papa tot und er nun – wenn er sie wie geplant zur Frau nahm – der alleinige Leiter von New Bedford Ships war.
      Und wenn er sie nicht heiraten wollte? War das der Grund, warum sie seit Monaten nichts mehr von ihm gehört hatte? Hatte er etwa die Gelegenheit genutzt, um sich aus dem Staub zu machen?
      Jeder Mann wäre es wohl irgendwann leid geworden, sich wie Nathan unentwegt die Forderungen ihres Vaters anzuhören, er müsse sich der Leitung des Unternehmens erst würdig erweisen, bevor er die Frau heiratete, die die Hälfte davon erben sollte. Aufgrund dieses Anspruchs war Nathan nach England gereist, um mit London Maritime einen lukrativen Vertrag über den Verkauf mehrerer Klipper abzuschließen. Vielleicht hatte er es sich mit der Verlobung anders überlegt, als er einmal in England angekommen war.
      Maria stiegen die Tränen in die Augen. Nein, das würde er nicht tun. Er war ein ehrenhafter Mann. Ihre Beziehung war vielleicht weniger leidenschaftlich als die mancher anderer verlobter Paare, aber er war ihr ganz gewiss ebenso zugetan wie sie ihm. Etwas Schreckliches musste passiert sein, sonst würde er sich niemals seiner Verantwortung entziehen. Sie musste ihn finden. Ihn durfte sie nicht auch noch verlieren, nachdem gerade erst ihr Vater verstorben war.
      Doch dass sich Nathans Tasche im Besitz eines anderen Mannes befand, verhieß nichts Gutes. Nathan hätte sie niemals freiwillig jemandem überlassen. Der Mann musste sie ihm gestohlen haben.
      Ihr Herz schlug im Takt mit ihren immer schneller werdenden Schritten. Nathan lag wahrscheinlich tot auf irgendeiner Wiese, umgebracht von einem dieser heimtückischen Engländer. Und wenn er …
      Sie durfte gar nicht daran denken, sonst verlor sie vollends die Fassung.
      »Mopsy …«, meldete sich Freddy mit gedämpfter Stimme zu Wort.
      »Du sollst mich doch nicht so nennen! Wir sind keine Kinder mehr.« Außerdem war Nathan der Ansicht, ein solcher Spitzname zieme sich nicht für eine Dame. Er achtete sehr auf solche Dinge, denn er war schließlich in der High Society von Baltimore aufgewachsen. Erst vor sechs Jahren war er ins kleine Dartmouth gekommen, um Papas Partner zu werden.
      »Entschuldige, Mop… äh, Maria«, entgegnete Freddy leise. »Ich vergesse es immer wieder.« Dann rückte er näher an sie heran. »Aber ich glaube, wir sollten im Dunkeln nicht mehr hier draußen umherlaufen. Dieser Stadtteil macht keinen sehr freundlichen Eindruck. Und die Damen dort oben sind ein wenig zu … na ja, nackt.«
      Maria hatte sich so darauf konzentriert, den Mann vor ihnen nicht aus den Augen zu verlieren, dass sie die Umgebung gar nicht wahrgenommen hatte. Doch als sie sich nun umsah, blieb ihr fast das Herz stehen. Über ihnen lehnten sich spärlich bekleidete Frauen aus den Fenstern, deren Brüste aus ihren Miedern hervorquollen. Ihnen musste bitterkalt sein, doch das war für sie offensichtlich nicht von Belang.
      Die plötzliche Erinnerung daran, wie sie ihren Vater aus solchen Etablissements hatte herausholen müssen, wenn sich kein anderer dafür fand, ließ sie vor Schreck erstarren.
      »Kommen Sie, Sir!«, rief eine der Frauen Freddy zu, und ihr Atem stieg als weiße Dunstwolke in die Nacht. »Bei meiner Buschimuschi kriegen Sie im Nu einen Ständer!«
      »Meine Möse kannst du schon für ein halbes Pfund probieren, Schätzchen!«, bot ihm eine andere an.
      Maria verstand nicht alle Wörter, aber da sich Freddys sommersprossiges Gesicht knallrot färbte, waren sie offenbar äußerst … obszön.
      »Komm, wir gehen zurück in unser Quartier«, sagte er.
      »Noch nicht! Wir müssen uns erst die Tasche genauer ansehen. Der Mann will anscheinend da vorn einkehren. So eine Gelegenheit bekommen wir nicht noch einmal.«
      Sie warteten kurz, bis der Mann das Haus betreten hatte, dann gingen sie rasch darauf zu. Ausgelassenes Gelächter und fröhliche Geigenklänge waren bis auf die Straße zu hören. Durch die offene Tür konnte Maria Paare sehen, die miteinander tanzten und … unanständige Dinge taten.
      Während die Laternenanzünder mit ihren Fackeln an ihnen vorbeitrotteten, studierte Freddy eingehend

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