Lord Tedric 01 - Lord Tedric
Männer des Reiches beschränkte. Jetzt war das Korps angeschwollen auf fast fünftausend Offiziere, von denen jedoch nur wenige jemals aktiven Dienst zu leisten hatten. Die Ernennungen konnte man kaufen und verkaufen, die Mitgliedschaft im Korps war nur noch ein hohles Zeichen des Familienstatus, ein Aushängeschild für jeden männlichen Sprößling aus einer halbwegs reichen Familie, doch ganz besonders für einen Sohn der Careys.
Philipp Nolan war sich vollkommen darüber im klaren, daß ein Grund für seinen Haß auf Matthew Carey – und daß er ihn haßte, daran gab es keinen Zweifel – schlicht und einfach Eifersucht war. Doch das bekümmerte ihn kaum, das Gefühl war etwas, das er nicht kontrollieren konnte oder wollte. Schon beim ersten Zusammentreffen der beiden in der Reichsschule auf der Erde vor fünfzehn Jahren hatten beide intuitiv eine große Abneigung gegeneinander gefaßt. Mit Wonne hätte Nolan einen Arm oder ein Auge dafür hingegeben, wenn er Carey im Boxturnier geschlagen hätte. Auch jetzt würde er alles dafür geben, um Carey besiegt am Boden zu sehen.
›Warum eigentlich nicht? Wenn ich ihn selbst nicht besiegen kann, warum dann nicht ein anderer?‹ Seine Gedanken wanderten zu dem Fremden, Tedric, und seiner methodischen Art, mit der er Bayne aus dem Feld geschlagen hatte. Der morgige Finalkampf zwischen Tedric und Carey versprach, ein hochinteressantes Ereignis zu werden. Konnte Tedric gewinnen? Unschlüssig kratzte sich Nolan am Kinn und grinste plötzlich. Carey war ein guter Boxer, darüber bestand kein Zweifel, doch auch er war nicht unschlagbar. Tedric war zäh, verdammt zäh und verdammt stark. Nolan schüttelte den Kopf. Der Gedanke, daß ein Mann ohne Familiennamen den stärksten aus dem Carey-Clan besiegen konnte, war widersinnig. ›Widersinnig, ja‹, dachte Nolan, ›doch deswegen nicht gleich unmöglich.‹
Rasch erhob er sich. Traynor schlief dicht in seiner Nähe, doch Nolan störte ihn nicht. Leise öffnete er die Tür und trat auf Zehenspitzen in den Gang hinaus. Er hatte seine Entscheidung getroffen. Wenn er schon nicht in der Lage war, Carey selbst zu besiegen, würde er auf jeden Fall alles in seiner Macht Stehende tun, daß ein anderer ihn besiegte. Er wollte Tedric besuchen und ihn persönlich vor Careys neuer Rüstung warnen.
Aber wollte Tedric seine Hilfe überhaupt? Er kannte die Antwort auf diese Frage nicht, doch das bedrückte ihn kaum. Ob es Tedric recht war oder nicht, er würde ihm helfen, denn er mußte unbedingt den morgigen Kampf gewinnen. Die in den Schmutz gezogene Würde des Nolan-Namens verlangte das. Die Würde der Familie und die Ehre des Empire.
Phillip Nolan hatte es geschafft, sich selbst von der Dringlichkeit seiner Mission zu überzeugen.
II
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DER GEHEIMNISVOLLE
Der blonde Krieger Tedric schwingt unablässig sein Langschwert, trennt Arme und Beine von den Körpern seiner Feinde, schlitzt Kehlen und Hälse wie ein Feldarbeiter beim Kornmähen. Zu seinen Füßen türmen sich die Leichen, doch in immer neuen Wellen stürmen seine Gegner auf ihn ein. Aus unzähligen kleinen Verletzungen tropft Blut über seinen riesigen Körper, doch Tedric ignoriert die Schmerzen. Er hat seine Gedanken abgewandt von irdischen Qualen, er denkt an Sarpedium, den Meister der schwarzen Magie, und das Elend und die Leiden, die er durch seinen Fluch Jahrhunderte lang in der ganzen Welt hervorgerufen hat. Tedric ist nicht unsterblich, keine magischen Formeln oder geheimnisumwobenen Elixiere schützen ihn vor des Todes dunkler Hand. Jeden Augenblick kann ein Feind seiner Aufmerksamkeit entgehen und ihn mit einem heftigen Streich niederstrecken. Furchtlos kämpft Tedric weiter, getrieben von dem unerschütterlichen Verlangen, die Welt vom Elend zu befreien, und dem festen Glauben, daß nur er imstande ist, diesen Rettungsakt durchzuführen.
Und so schlägt er die Horden von Sarpedion, die schließlich vom Schlachtfeld zurückweichen und ebenso rasch in ihren Löchern verschwinden, wie sie aufgetaucht sind. Tedric ruht sich aus, er hockt sich auf den warmen Boden und balanciert sein bluttriefendes Schwert zwischen seinen Knien. Sein Atem geht hart. Er hat wieder gewonnen, doch dies war nur ein Vorgeplänkel. Der Krieg selbst geht weiter.
Wie fast jeden Abend in den letzten zwei Jahren, wenn die Akkus, die die Energie für das künstliche Licht, das auf Nexus das Tageslicht ersetzte, lieferten, schwächer wurden, ging Tedric zu einem Bücherregal in
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