Lords und Ladies
Shawn. »Ich vertrete ihn. Und ich muß auch fürs Abendessen sorgen, weil’s Frau Scorbic schlechtgeht.«
»Du brauchst mich nicht durchs Schloß zu führen«, meinte Magrat.
»Ich kenne den Weg.«
»Muß al es seine Ordnung haben«, erwiderte Shawn. »Ich bitte dich
nur, geh etwas langsamer. Den Rest erledige ich.«
Er lief voraus und stieß eine große Doppeltür auf.
»Froooilein Magraaat Knoooblauch!«
Shawn stürmte zur nächsten Doppeltür.
Bei der dritten war er wieder ziemlich außer Atem, aber er gab trotz-
dem nicht auf.
»Froooilein… Magraaat… Knoooblauch… Seine Majeeestääät der
Kö… Verdammter Mist, wo steckt er bloß?«
Der Thronsaal war leer.
Schließlich fanden sie Verence II. König von Lancre, bei den Stäl en.
Manche Leute sind von Geburt aus König. Andere Leute müssen Kö-
nig erst werden, oder wenigstens Erz-Generalissimus-Landesvater. Doch
dem jungen Mann namens Verence hatte man das Amt des Königs prak-
tisch aufgedrängt. Er war nie dazu erzogen worden, einmal die Krone zu
tragen, und er verdankte sie nur jenem komplexen Chaos aus Herkunft
und Verwandtschaft, das für königliche Familien typisch zu sein scheint.
Verence hatte sich seinen Lebensunterhalt als Hofnarr verdient, war
umhergetol t, hatte Witze erzählt und sich mit Sahnetorten bewerfen
lassen. Mit der Folge, daß er dem Leben recht ernsthaft gegenüberstand
und fest entschlossen war, nie wieder über irgend etwas zu lachen, erst
recht dann nicht, wenn es um Sahnetorten ging.
Als er damit begann, die Pflichten eines Herrschers wahrzunehmen,
genoß er zunächst den Vorteil der Unwissenheit. Niemand hatte ihm
gesagt, worin die Aufgaben eines Königs bestanden. Es blieb Verence
nichts anderes übrig, als es ganz al ein herauszufinden. Er besorgte sich
Bücher, denn er glaubte fest an den Nutzen von Wissen, das auf Papier
und Pergament gebannt war.
Nach gründlicher Lektüre bildete er sich eine ungewöhnliche Meinung:
Er vertrat den Standpunkt, daß es oberste Aufgabe des Königs war, das
Leben al er Untertanen zu verbessern.
Derzeit betrachtete er eine kompliziert wirkende Apparatur. Das Ding
wies zwei Schäfte auf, zwischen denen Platz genug für ein Pferd war,
und der Rest schien sich aus mehreren Windmühlen zusammenzusetzen.
Verence sah auf und lächelte geistesabwesend.
»Oh, hallo«, sagte er. »Du bist wieder zurück?«
»Äh…«, begann Magrat.
»Das ist ein patentierter Getreidedreher.« Verence betatschte die Ma-
schine. »Gerade von Ankh-Morpork eingetroffen. Setzt Maßstäbe für die
Zukunft. Ich interessiere mich schon sehr für die Modernisierung der
Landwirtschaft und Bodeneffizienz. Wir sol ten uns ein Beispiel an dem
neuen Dreifeldersystem nehmen.«
Dieser Hinweis verwirrte Magrat.
»Ich glaube, wir haben nur drei Felder«, wandte sie ein. »Bei uns gibt’s nicht viel fruchtbares Ackerland…«
»Es ist sehr wichtig, das richtige Verhältnis zwischen Getreide, Hülsen-
früchten und Wurzelgemüse zu wahren«, dozierte Verence und hob die
Stimme. »Auch Klee ziehe ich ernsthaft in Betracht. Ich würde gern dei-
ne Meinung dazu hören!«
»Äh…«
»Und ich glaube, wir sollten etwas in Hinsicht auf die Schweine unter-
nehmen!« rief Verence. »Unsere Lancre-Sorte ist sehr widerstandsfähig,
aber die Tiere müßten fetter werden! Und das können wir mit Kreuzun-
gen erreichen! Zum Beispiel mit den sogenannten Sattelrücken von Sto!
Ich lasse einen Eber kommen… Shawn, würdest du bitte aufhören, dau-
ernd mit dieser verdammten Trompete zu tröten!«
Shawn ließ das Instrument sinken.
»Ich dachte, Fanfaren würden dazugehören, Euer Majestät.«
»Ja, aber nicht die ganze Zeit über. Einige kurze Trompetenstöße genü-
gen.« Verence schnüffelte. »Es riecht irgendwie angebrannt.«
»Oh, Mist, die Möhren…« Shawn eilte davon.
»Schon besser«, seufzte der König. »Worüber haben wir gerade gespro-
chen?«
»Über Schweine, glaube ich«, sagte Magrat. »Nun, eigentlich bin ich
hier, um…«
»Letztendlich hängt al es vom Boden ab«, erklärte Verence. »Wenn
man das mit dem Boden richtig hinkriegt, klappt auch der Rest. Übri-
gens: Ich habe die Hochzeit für den Tag der Sommersonnenwende ge-
plant. Das gefällt dir sicher, oder?«
Magrats Lippen formten ein stummes O.
»Wir können die Trauung natürlich verschieben«, fügte Verence hinzu.
»Wobei wir al erdings die Ernte berücksichtigen müssen.«
»Ich habe schon
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