Lords und Ladies
die Vergangenheit erstrecken. Es gibt immer ein Vorher. Und immer kann man den Hinweis Lesen Sie weiter anbringen.
Ein großer Teil des menschlichen Einfallsreichtums ist in die Suche
nach dem endgültigen Vorher investiert worden.
Der gegenwärtige Wissensstand läßt sich folgendermaßen ausdrücken:
Am Anfang gab es nichts, und es explodierte.
Andere Theorien in bezug auf den Beginn al er Anfänge betreffen Göt-
ter, die das Universum aus den Rippen, Eingeweiden oder Hoden ihres
Vaters schufen.** An solchen Hypothesen mangelt es nicht. Sie sind sehr
interessant, nicht aufgrund ihrer kosmologischen Informationen, son-
dern weil sie über die Menschen Auskunft geben. He, Jungs: Woraus hat
man eure Stadt errichtet?
Nun, diese Geschichte beginnt auf der Scheibenwelt. Und die ruht auf dem Rücken von vier riesigen Elefanten, die auf dem Panzer einer gewaltigen Schildkröte stehen, und sie ist nicht aus den Körperteilen irgend-
welcher Götter oder deren Eltern erschaffen.
Aber wo beginnen?
Vor einigen Jahrtausenden? Als ein Schwarm Steine vom Himmel her-
abheulte, ein Loch in den Kupferkopfberg bohrte und im Umkreis von
fast zwanzig Kilometern alle Bäume fällte?
Die Zwerge gruben jene Steine aus, denn sie bestanden aus einer Art
Eisen. Und entgegen einer weitverbreiteten Ansicht halten Zwerge von
Eisen viel mehr als von Gold. Es ist nur nicht so leicht, Lieder über Ei-
sen zu singen.
* Vermutlich auf den ersten Bauern.
** Götter mögen einen guten Witz ebenso wie al e anderen Leute.
Zwerge lieben Eisen.
Und genau das enthielten die Steine: Eisenliebe. Eine so starke Liebe,
daß sie alles Eisen anzog. Die drei Zwerge, die die Steine als erste fan-
den, konnten sich nur befreien, indem sie ihre Kettenhemden abstreif-
ten.
Viele Welten bestehen in ihrem Kern aus Eisen. Doch die Scheiben-
welt ist ebenso kernlos wie ein Pfannkuchen.
Wenn man auf der Scheibenwelt eine Nadel beschwört, so deutet sie
zur Mitte, denn dort hat das magische Feld die größte Intensität. Mehr
steckt nicht dahinter.
Auf anderen, mit weniger Phantasie konstruierten Welten dreht sich
die Nadel zum Eisen der Liebe wegen.
Damals waren Zwerge und Menschen ganz versessen nach Eisenliebe.
Und nun… Betätigen wir den schnel en Vorlauf der Zeit, und zwar um
einige Jahrtausende, bis etwa fünfzig Jahre vor dem in ständiger Bewe-
gung bleibenden Jetzt . Ort: der Hang eines Hügels. Protagonist: eine junge, laufende Frau. Sie flieht nicht vor etwas und hat auch kein bestimm-
tes Ziel. Sie läuft nur schnel genug, um sich nicht von dem jungen Mann
hinter ihr einholen zu lassen – wobei sie natürlich den Abstand nicht so
groß werden läßt, daß er aufgibt. Sie eilt aus dem Wald und erreicht das
von Binsen bewachsene Tal, in dem sich auf einer kleinen Anhöhe die
Steine erheben.
Die Steine sind knapp zwei Meter hoch und kaum breiter als ein dicker
Mensch.
Irgendwie wirken sie… enttäuschend. Wenn es einen Steinkreis gibt, von dem man sich fernhalten sol , so erwartet man große, düster anmutende
Trilithen und uralten Altargranit, auf dem dunkle Flecken von Opfern
künden. Diese Steine hingegen sind nur unscheinbare Buckel in der Landschaft.
Später stellt sich heraus, daß die junge Dame zu schnell gelaufen ist.
Der junge Mann verliert sie aus den Augen, sucht eine Zeitlang, hat dann
genug und kehrt zum Dorf zurück. Die Frau weiß das noch nicht, ver-
harrt unschlüssig und rückt sich geistesabwesend die Blumen im Haar
zurecht. So ein Nachmittag ist das gewesen…
Sie hat von den Steinen gehört. Obwohl niemand entsprechende Hin-
weise bekommt. Es wird nie verboten, den Steinkreis aufzusuchen, aus
gutem Grund: Jene Leute, die ganz bewußt nicht darüber reden, wissen
auch, daß Verbotenes einen großen Reiz ausübt. Es gehört sich einfach
nicht, den Ort aufzusuchen. Und das gilt insbesondere für junge, hübsche Frauen.
Doch in diesem Fal haben wir es nicht unbedingt mit einer hübschen
jungen Frau zu tun. Kinn und Nase können nur bei Rückenwind und im
richtigen Licht von einem gutmütigen Lügner als attraktiv bezeichnet
werden. Hinzu kommt ein ganz bestimmtes Glitzern in den Augen. Man
sieht es häufig bei Personen, die festgestellt haben, intelligenter zu sein
als ihre Mitmenschen – und die erst noch lernen müssen, diese Erkennt-
nis zu verbergen. Zusammen mit der Nase führt es zu einer strengen,
Unbehagen hervorrufenden Miene. Es fäl t schwer, zu jemandem
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