Lords und Ladies
hast meine Frage noch nicht beantwortet.«
Zur großen Überraschung von Nanny Ogg, Ridcully und vermutlich
auch al er anderen hakte sich Oma Wetterwachs beim Erzkanzler ein.
»Herr Ridcully und ich machen einen Spaziergang zur Brücke.«
»Tatsächlich?« brachte Ridcully verblüfft hervor.
»Oh, wie nett .«
»Gytha Ogg, wenn du mich auch weiterhin so ansiehst, verpasse ich dir
eine Ohrfeige, die du so schnell nicht vergißt.«
»Entschuldige, Esme«, sagte Nanny.
»Na schön.«
»Ich nehme an, ihr wol t über die alten Zeiten sprechen«, meinte Nan-
ny Ogg.
»Vielleicht über die alten Zeiten. Vielleicht auch über andere.«
Das Einhorn erreichte den Wald und lief weiter.
Unten floß der Lancrefluß vorbei. Niemand überquerte das gleiche Was-
ser zweimal, nicht einmal auf einer Brücke.
Ridcully ließ einen Stein fal en. Mit einem leisen Plop verschwand er im Fluß.
»Es klappt immer«, sagte Oma Wetterwachs. »Irgendwo. Dein junger
Zauberer weiß das – er versteckt sein Wissen nur hinter komischen Wor-
ten. Er könnte sehr klug sein, wenn er endlich das sähe, was sich direkt
vor seinen Augen befindet.«
»Er möchte eine Zeitlang hierbleiben«, brummte Ridcully bedrückt.
»Offenbar faszinieren ihn die Steine. Kann ihn wohl kaum zur Rückkehr
nach Ankh-Morpork zwingen, oder? Außerdem genießt er das besondere
Wohlwol en des Königs. Verence meinte, andere Könige vor ihm hätten
auf die Dienste von Narren zurückgegriffen. Er will es mit einem Ge-
lehrten versuchen und feststel en, ob das besser funktioniert.«
Oma lachte. »Und es dauerte nicht mehr lange, bis sich die junge Dia-
manda erholt hat«, sagte sie.
»Was soll das heißen?«
»Oh, nichts weiter. Das hat die Zukunft eben so an sich: Sie könnte al-
les mögliche bringen.«
Oma Wetterwachs griff nach einem kleinen Stein und warf ihn in den
Fluß. Er plumpste zusammen mit einem von Ridcul y ausgewählten Ex-
emplar ins Wasser. Ein dumpfes Plopplop ertönte.
Der Erzkanzler räusperte sich. »Glaubst du, daß sich irgendwo alles…
richtig entwickelt hat?«
»Ja. Hier!«
Oma sah, wie Ridcul y traurig die Schultern hängen ließ.
»Und auch dort«, fügte sie sanfter hinzu.
»Wie bitte?«
»Ich meine: In irgendeiner anderen Welt heiratete Mustrum Ridcully
eine gewisse Esmeralda Wetterwachs, und sie lebten…« Oma biß die
Zähne zusammen. »…glücklich und zufrieden. Mehr oder weniger. So-
weit das möglich ist.«
»Woher willst du das wissen?«
»Ich habe die Erinnerungen der anderen Esme empfangen. Sie schien
ihre Lebensumstände nicht zu bedauern. Und das ist um so bemerkens-
werter, weil ich nicht leicht zufriedenzustellen bin.«
»Wie bringst du so etwas fertig?«
»Ich gebe mir immer Mühe, ganz gleich, womit ich mich beschäftige.«
»Erwähnte jene andere Esmeralda zufälligerweise…«
»Sie hat nichts erwähnt! Sie hat keine Ahnung von unserer Existenz!
Hör auf zu fragen! Es genügt zu wissen, daß alles irgendwo geschieht,
oder?«
Ridcully rang sich ein Lächeln ab.
»Ist das der einzige Trost, den du mir anzubieten hast?«
»Es ist der einzige existierende Trost. Er muß genügen.«
Wo endet die Geschichte?*
An einem Sommerabend: Paare schlendern hier und dort; purpurnes,
seidenartiges Zwielicht verdichtet sich zwischen den Bäumen. Im Schloß
ist das Fest beendet; dort hört man nur noch leises Lachen sowie das
Bimmeln silberner Glöckchen. Und im Wald herrscht das Schweigen der
Elfen.
* Als am nächsten Tag der Dramatiker Hwel mit der Schauspieltruppe eintraf,
erzählte man ihm alles, und daraufhin schrieb er es nieder. Allerdings ließ er jene Dinge aus, die sich auf einer Bühne nicht realisieren ließen, die zu teure Spezialeffekte verursacht hätten oder die er für absurd hielt. Außerdem nannte er das Ergebnis seiner kreativen Bemühungen Die Zähmung der Wühlmaus. Seiner Ansicht nach lockte ein Titel wie Dinge, die in einer Sommernacht geschahen kein Publikum an.
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