Loreley - Basalt
ein. Aber nicht ein Wort der Entschuldigung oder ein Angebot zur Versöhnung kam über seine Lippen. Nicht nur, dass er sich emeut über meine Gefühle, die ich im Brief an meine Schwester dargelegt hatte, lustig machte, er zerriss und zerknüllte den Brief. Daraufhin bestand ich darauf, dass er einen Teil in seinen Mund stecken und aufessen musste. Was dann geschah, tut mir leid«, schluchzte Frau Wagner. »Ich habe einfach abgedrückt.«
»Hatten Sie keine Angst gesehen zu werden?«, erkundigte sich Jil.
»Es war mir egal. Ich hatte doch sowieso schon alles verloren, was mir wichtig war. Nachdem er am Boden lag, zündete ich mir eine Zigarette an, um mich wieder etwas zu beruhigen. Ich zog ein paar Mal daran, warf sie unüberlegt weg und führ nach Hause.«
»Und wann haben Sie Fred Müller umgebracht?«, erkundigte sich Jil mit ruhiger Stimme. Jetzt schien es ihr an der Zeit, auch den zweiten Mord zu klären.
»Das war ich nicht gewesen. Das müssen Sie mir glauben«, beteuerte Frau Wagner plötzlich mit fester Stimme und ohne ein Anzeichen von Erregung.
»Der Mann wurde aber mit demselben Revolver getötet und auch er hatte Reste von Papier in seinem Magen«, Schusters Stimme klang kalt und unerbittlich. Jil blickte ihn an und ihre Augen versuchten, ihn zu besänftigen. Die Frau tat ihr trotz allem leid.
»Ich habe Fred Müller nicht getötet. Trotzdem war ich über die Nachricht von seinem Tod nicht traurig gewesen. Er hat selbst an allem was geschehen ist, Schuld gehabt.«
Jil und Kommissar Schuster forderten über Handy einen Polizisten an, der vor dem Krankenzimmer von Frau Wagner Wache schieben sollte, bis über einen Haftbefehl entschieden war. Nach seinem Eintreffen verließen sie das Krankenzimmer.
»Darf ich Sie in der Cafeteria auf einen Kaffee einladen?«, fragte Schuster seine Kollegin, die sofort eifrig nickte.
»Glauben Sie der Frau?«, fragte Schuster die Kommissarin, nachdem sie an einem kleinen Tisch in der Krankenhauscafeteria Platz genommen hatten.
»Warum nicht. Sie hat einen Mord gestanden und weiß, dass sie dafür etliche Jahre ins Gefängnis geht. Wenn sie auch für den zweiten Mord verantwortlich gewesen wäre, hätte sie es sagen können. Die Frau hat doch nichts mehr zu verlieren. Ihre anonymen Anrufe bei Manfred Luck waren Hilferufe.«
Eine Weile schwiegen die beiden. Jeder machte sich seine eigenen Gedanken.
»Mir fällt nur eine Person ein, der ich den Mord im Basaltpark zutraue und die ein Motiv hätte«, fing Schuster an zu spekulieren. Er trank einen Schluck Kaffee, während ihn Jil dabei erwartungsvoll ansah.
»Ich denke an Hagen Kaasten«, erklärte Schuster.
»Ich dachte, wir waren uns sicher, dass er nur für die Briefe und die krummen Geschäfte in seiner Fabrik verantwortlich ist«, gab Jil zu bedenken. »Gut, er hatte Streit mit Fred Müller. Aber wie konnte er an den Revolver von Frau Wagner gelangen?«
Schuster stand auf und ging zum Fenster. Sein Blick verlor sich in der Weite des blauen Sommerhimmels. Langsam begannen sich dabei, seine Gedanken zu ordnen. Dann drehte er sich zu Jil um. »Es muss aber so gewesen sein. Ich frage mich nur, ob es klüger ist gleich mit Hagen Kaasten zu reden oder noch einmal mit Frau Wagner.«
»Ich kann noch einmal zu Frau Wagner gehen«, bot Jil dem Kollegen an.
»Ich komme mit«, entschied Schuster.
»Ich bin mir nicht sicher, ob Hagen Kaasten tatsächlich der Mörder ist«, seufzte Jil.
Schuster entschied sich dafür, die Treppenstufen bis zum dritten Stock zu laufen. Er hatte keine Ruhe, um auf den Fahrstuhl zu warten. Jil lief dem Kollegen entnervt hinterher. Vor dem Krankenzimmer holte Jil noch einmal tief Luft, Schuster machte dem Uniformierten ein Zeichen sitzenzubleiben, dann gingen beide hinein.
»Frau Wagner, wir haben noch einige Fragen an Sie«, teilte Schuster der Frau ohne Umschweife mit. »Sie haben beteuert, für den zweiten Mord nicht verantwortlich zu sein.«
»Das ist die Wahrheit«, flüsterte Frau Wagner. Jil sah, dass sie erneut geweint hatte.
»Wie erklären Sie es sich, dass Fred Müller mit demselben Revolver erschossen wurde wie Ihr Mann?«, forderte Schuster eine Erklärung von der Frau.
»Der Revolver wurde mir gestohlen. Vielleicht hat meine Schwester ihn getötet.«
»Wieso Ihre Schwester?«, fragte Jil misstrauisch.
»Sie war am Abend, während ich mit meinem Mann am Loreleyfelsen war, zu uns gekommen. Sie besaß einen Schlüssel. Sie saß im Wohnzimmer und studierte Akten. Als ich
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