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Loreley

Titel: Loreley Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kai Meyer
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nicht erst recht daran liegen, Gesellschaft zu haben? Sogar in ein und demselben Körper?«
    Sankt Suff seufzte. »Wunschträume, mein Kind. Nichts sonst.«
    Auch Jammrich klang betreten. »Ich fürchte, du wirst dich ein für allemal mit dem Gedanken abfinden müssen, dass deine Freundin verloren ist. Sie ist tot, Ailis, so Leid es mir tut.«
    Ailis ließ sich ins Heu fallen und starrte finster vor sich hin. Buntvogel warf ihr e i nen besorgten Blick zu, sprach sie aber nicht an. Dann machte er sich wie die anderen daran, einen Platz im Heu zu suchen und sein Instrument zu reinigen.
    Schließlich fragte Ailis in die Runde: »Und wie wo l len wir nun vorgehen?«
    »Lass uns das Fest abwarten«, sagte Jammrich. »Wein und Bier werden die Zungen der Leute lösen. Außerdem bekommen wir deine Freundin zu sehen, und das ist es doch, was du willst, oder?«
    »Vor allem will ich ihr helfen.«
    »Nur Geduld«, erwiderte Jammrich, und Buntvogel nickte.
    »Ich glaube auch, dass es das Beste ist, abzuwarten«, sagte er und fuhr sich durch seine schwarzen Locken. »Wir können nichts tun, bevor wir nicht genau wissen, was uns hier erwartet.«
    Ailis rang mit sich selbst um Gelassenheit. Ihre Freu n de hatten natürlich recht. Je länger sie darüber nachdac h te, desto unwohler wurde ihr bei dem Gedanken, Fee g e genüberzustehen.
    Sankt Suff, Samuel Auf-und-Dahin und die Brüder Wirrsang und Feinklang hatten sich zur Ruhe gelegt und waren gerade eingeschlafen, als Ailis’ gespitzte Ohren das Klirren von Metall vernahmen. Alarmiert sprang sie hoch. Jammrich und Buntvogel schauten überrascht zu ihr auf, doch bevor sie noch etwas sagen konnte, erschien ein Dutzend Silhouetten im hellen Scheunentor.
    Männer strömten herein. Alle waren zum Kampf g e rüstet, mit ledernen Brustharn i schen und Schwertern. Sie mochten keine echten Soldaten sein, sondern Knechte und Bauern, die sich als Krieger ausstaffiert hatten, aber das machte ihre scharfen Klingen nicht weniger bedro h lich. Ailis erkannte unter ihnen den Stallburschen, der Baans Pferd gebracht hatte. Der Ritter selbst war ni r gends zu sehen.
    »Steht auf!«, rief einer der Männer ihnen zu. Die Schlafenden wurden wachgerüttelt und bald standen die Spielleute inmitten eines Rings Bewaffneter.
    »Was soll das?«, fragte Jammrich. »Wir sind Gäste Ritter Baans.«
    Der Anführer der Männer nickte. »So ist es. Er hat uns beauftragt, euch eure neue Bleibe zu zeigen. Kommt mit!« Er deutete mit seinem Schwert zum Scheunentor.
    Alles Murren und alle Widersprüche blieben zwec k los. Die Spielleute mussten ihre Instrumente und Waffen zurücklassen und die Scheune verlassen. Auch Ailis hatte ihr Schwert abgegeben, behielt die leere Scheide aber auf dem Rücken. An der Flöte, die daran befestigt war, nahm niemand Anstoß.
    Baan ließ sich noch immer nicht blicken. Mägde und Kinder schauten aus einiger Entfernung zu, wie die Spielleute zum Eingang des Turms geführt wurden. En t täuschung stand in ihren Gesichtern. Sie alle hatten sich auf die versprochene Feier gefreut, doch keiner wagte Einspruch zu erheben.
    Die Bewaffneten ließen nicht zu, dass die Spielleute miteinander sprachen. Als Sankt Suff dennoch den Ve r such unternahm, schlug ihm einer mit der Breitseite se i nes Schwertes auf das dicke Hinterteil. Einige der Mä n ner grinsten verstohlen, doch die meisten schienen ebe n so verstört über die überraschende Wendung zu sein wie ihre Gefangenen.
    Ailis hatte keine Ahnung, was genau geschehen war. Dass aber Fee hinter all dem steckte, schien ihr sicher zu sein: Hunderte Bilder rasten durch ihr Gehirn, die Erei g nisse auf dem Lurlinberg, die toten Tiere auf den St a cheln des Gitters, Tierblut im Gesicht des kleinen Mä d chens. Hatte sie all das heil überstanden, um jetzt doch noch Opfer des Echos zu werden? Jammrich hatte recht gehabt – sie hätte niemals hierher kommen dü r fen.
    Zwei der Bewaffneten entzündeten an einem Kohleb e cken Fackeln, dann führte man die Gefangenen eine bre i te Wendeltreppe hinab in den Keller des Turmes. Die Stufen endeten in einem sechseckigen Raum, von dem mehrere Türen abgingen. Zwei davon waren vergittert, bei dem Rest handelte es sich offenbar um die Eingänge zu Vorratsräumen. Eines der Gitter wurde geöffnet und die Spielleute hindurchgetrieben. Der Kerker war feucht und kalt, der Boden mit altem Stroh bedeckt.
    Ein Schlüssel knirschte in dem rostigen Schloss, als die Gittertür hinter den Gefa n genen verschlossen

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