Loslassen
um die Hemmungen zwischen ihnen endlich auszumerzen. Hemmungen, die keiner brauchte. Sie legte den Schulterriemen ihrer Handtasche über die Schulter und beobachtete im Rückspiegel, wie Marc um den Wagen herumging. Seine große, sportliche Silhouette wurde in das Mondlicht getaucht. Sich weiterhin im Auto zu verstecken war wirklich ein beeindruckender Anfang, schalt sie sich.
Kurzentschlossen zog sie an dem Riegel und stieß die Tür auf. Schnee knirschte unter ihren Füßen, als sie aus dem Wagen stieg und sich streckte. Der Nachthimmel lag vor ihr wie ein seidiger Teppich in Schwarz, der von schimmernden Sternen und strahlenden Planeten übersät war. Tief atmete sie die eisige Luft ein und zitterte, weil sie in ihre Lungen biss.
Eine Wolke schob sich über den vom Mond beschienenen Himmel. Sie ließ die kalte Luft entweichen und starrte auf die Atemwolke, die nach oben stieg und sich mit diesem hauchzarten Reisenden vereinigte, als würden sie miteinander verschmelzen. Als würde ihr Atem mehr, als er war, und war doch weniger, als er je sein würde. Eine Minute lang blickte sie der dahinschwebenden Wolke noch nach, wie sie frei und ungebunden dahinglitt. Dann lächelte sie, als wüsste sie jetzt mit absoluter Sicherheit, dass alles gut gehen würde. Es gab nichts, das sie und er nicht tun konnten. Nichts, das sie nicht erreichen konnten. Zusammen. Denn zusammen waren sie wie diese Wolke. Mehr als das, was sie zuvor allein gewesen waren, wuchsen sie jetzt doch noch immer, und ihnen waren keine Grenzen gesetzt. Sie musste einfach ihre Angst bezwingen und lernen, loszulassen.
Vorfreude erfasste sie und jagte durch ihre Adern, als sie zum Kofferraum des Wagens ging. Der Anblick war hier genauso interessant wie der Nachthimmel, denn sie sah Marc, der sich nach vorne beugte und einen Koffer aus dem Kofferraum holte. Ihr Mann hatte den Körper eines Läufers, der mit schlanken, harten Muskeln bepackt war. Sie ließ ihre Hände an seinen Schenkeln hinaufgleiten und lächelte, als seine Muskeln sich unter ihrer Berührung anspannten. Ihre Hände schoben sich weiter zu seinen schmalen Hüften und schlossen sich unter seiner Jacke um die Taille.
Er machte einen Satz, weil ihre Hände eiskalt waren. Doch dann gab er sich ihrer Umarmung hin, legte seine Hände auf ihre und drückte sie fest auf seinen Bauch. Wie immer kommunizierte er beredt mit seinen Bewegungen, und seine Gedanken waren ihr so deutlich, als hätte er sie laut ausgesprochen. Sie drückte ihre Wange gegen das weiche Leder seiner Jacke.
„Ich liebe dich auch“, flüsterte sie. Und weil sie nicht widerstehen konnte, fügte sie hinzu: „Und ich schwöre dir, ich werde nicht das ganze Wochenende so sein.“
„Süße, ein bisschen Nervosität bringt mich nicht gleich dazu, vor dir wegzulaufen.“
„Auch wenn ich hin und wieder Unsinn rede?“
Er drehte sich in ihren Armen um. Seine Hände legten sich in die kleine Mulde in ihrem Kreuz. „Ich habe noch nie erlebt, dass du Unsinn geredet hast. Wäre doch mal wunderbar, das zu erleben.“
Sie neigte den Kopf. Er war etwa dreißig Zentimeter größer als sie, darum musste sie den Kopf leicht in den Nacken legen, um seine Miene zu erkennen. „Vertrau mir, es ist keine besonders tolle Erfahrung.“
Dieses halb amüsierte, halb nachsichtige Lächeln lag noch immer auf seinem Gesicht. Sein Kopf neigte sich zu ihr hinab. Kurz bevor sein Mund ihren berührte, flüsterte er: „Das werde ich riskieren.“
Wenn es je einen Beweis gebraucht hatte, dass dieser Mann sie herumkriegte, dann war es dieser Kuss. Er nahm sich nicht bloß, was er wollte – wie sie es erwartet hätte –, sondern verführte sie stattdessen. Sein Mund rieb sich schmeichelnd und spielerisch an ihren Lippen, entzog ihr die Sorge und ersetzte sie mit heißer Bereitwilligkeit, ihm zu vertrauen, das zu tun, was er wollte. Das zu sein, was er wollte. Was sie wollte.
Sie öffnete ihren Mund und stellte sich auf die Zehenspitzen, ließ zu, dass er mit der Zunge in ihren Mund stieß. Ließ sich von der natürlichen Dominanz seiner Umarmung davontragen und neigte den Kopf, um ihm mehr zu geben und sich von ihm über den Punkt hinaus geleiten zu lassen, an dem ihr Verstand Nein rief. Langsam spreizte sie die Beine, damit er seinen Oberschenkel zwischen sie schieben konnte, bremste ihre Impulssteuerung, die sie abhalten wollte, sich an ihm zu reiben. Sie folgte ihrem Instinkt und seiner Führung statt ihrem Verstand. Mit ihrem nächsten Atemzug
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