Lost Land, Der Aufbruch
zufriedengegeben, aber er hatte das Gefühl, dass er die Version von sich selbst, die sich davor scheute, solche Fragen zu stellen, irgendwie hinter sich gelassen hatte. Also hakte er nach: »Nein ⦠da war etwas. Die Art, wie du mich angesehen hast. Was ist los?«
Die Vögel in den Bäumen zwitscherten fast fünf Sekunden, ehe Nix antwortete. »Neulich in der Stadt ⦠auf eurem Dach ⦠da habe ich dich gefragt, ob du mich liebst. Hast du es ernst gemeint?«
Benny bekam einen trockenen Mund. »Ja.«
»Seitdem hast du es nicht mehr gesagt.«
Er wollte etwas zu seiner Verteidigung vorbringen, erwiderte aber stattdessen: »Du auch nicht.«
»Nein«, gab sie kleinlaut zu und blinzelte in das morgendliche Sonnenlicht. »Vielleicht ⦠wenn der Aufbruch aus der Stadt leichter gewesen wäre â¦Â«
Benny wartete.
»⦠dann wäre es wahrscheinlich auch einfacher gewesen, es zu sagen«, beendete Nix den Satz. »Aber hier drauÃen â¦Â«
»Ich weië, sagte er. »Mir geht es genauso.«
»Du verstehst es?«, fragte sie erleichtert. »Ich habe es versucht, aber ich finde einfach nicht die richtigen Worte.«
Mach schon, flüsterte seine innere Stimme. Sag ihr die Wahrheit.
Benny nickte. »Ich denke schon. Zumindest ⦠verstehe ich, warum ich es nicht gesagt habe. Seit wir die Stadt verlassen haben, stecken wir andauernd in Schwierigkeiten. Unser âºCampingausflugâ¹ ist nicht gerade ein Knaller. Hier drauÃen âºIch liebe dichâ¹ zu sagen ⦠bitte lach nicht, aber das wäre so, als würde ich meinen Teppichmantel ausziehen und in einen Haufen Zombies rennen. Wenn ich es laut ausspreche, fühle ich mich verletzlich. Ist das bescheuert?«
Nix schüttelte den Kopf. »Nein.«
»Jetzt darf ich eine Frage stellen«, verkündete Benny, und obwohl Nix sich versteifte, lieà er sich nicht beirren. »Wünschst du, ich hätte es nicht gesagt? Ãberhaupt nicht, meine ich.«
Ein seltsames Licht flackerte in den Tiefen ihrer grünen Augen auf. »Wenn du meinst, dass der richtige Zeitpunkt gekommen ist, dann versuch es noch einmal, und dann werden wir ja sehen, was passiert.«
Benny hätte diese Bemerkung in seiner Unsicherheit beinahe falsch verstanden, aber seine innere Stimme gab ihm einen anderen Rat. »Darauf kannst du dich verlassen«, versprach er schlieÃlich.
Sie streckte ihm ihre Hand entgegen. »Also ⦠hast du Lust auf einen Spaziergang?«
»Na ja ⦠entweder das oder mein Zimmer aufräumen, aber da mein Zimmer ein Baum ist â¦Â«
Er nahm ihre Hand und gemeinsam gingen sie unter dem kühlen Blätterdach hindurch. In den Bäumen zwitscherten die Vögel und auf dem Gras unter ihren FüÃen funkelte der Morgentau. Die ersten Bienen des Tages flogen summend zwischen den Blumen umher, um ihrer uralten, wichtigen Aufgabe nachzukommen: Nektar zu sammeln und Pollen von einer Blüte zur anderen zu tragen. Schwärme von Mücken stiegen in Spiralen aus dem Gras auf und wirbelten durch das schräg einfallende Sonnenlicht. Das Erwachen des Waldes hatte etwas Magisches und Ãberwältigendes. Weder Benny noch Nix sagten etwas, denn sie konnten ihre Reaktion auf die überbordende Schönheit nicht in Worte fassen und wollten den entsetzlichen Erlebnissen und Gedanken, die schwer auf ihrem Herzen lasteten, keinen Raum geben.
Trotz des beruhigenden Gefühls, das ihnen die warme Hand des jeweils anderen schenkte, kamen sie sich unglaublich allein vor. Verlassen. Obwohl sie wussten, dass Tom, Lilah und Chong sich irgendwo im selben Wald aufhielten, schien es, als seien alle anderen Menschen auf einem anderen Planeten. Mountainside, ihr Zuhause, war Millionen von Kilometern entfernt. Und der Jumbojet konnte sich auf der anderen Seite der Welt befinden oder auch nur ein Hirngespinst aus einem alten Traum sein.
Der steinige Pfad schlängelte sich zwischen Bäumen und Sträuchern hindurch und abgesehen vom Geruch der Asche in der Luft deutete nichts auf die Ereignisse des vorigen Abends hin. Dann bogen sie um eine Kurve und all das änderte sich.
»Mein Gott â¦Â«, flüsterte Nix fast atemlos.
Das Feld existierte nicht länger, vor ihnen lag eine einzige gewaltige Mondlandschaft. Bäume waren zu Stümpfen niedergebrannt, Büsche in Asche verwandelt worden, die
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