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Lost Land

Lost Land

Titel: Lost Land Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Maberry
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starrte die Karte an. Nicht auf die Worte, sondern auf das Bild. Es zeigte ein Mädchen, etwa in seinem Alter, vielleicht ein Jahr älter. Sie trug eine zerlumpte, alte Jeans und grob gefertigte Ledermokassins. Ihre Bluse war zerrissen und geflickt und zu klein und der Stoff musste einst mit bunten Wildblumen übersät gewesen sein. Mittlerweile war das Muster aber so verblasst, dass die Blüten wie hinter einem Schleier wirkten. Das Haar des Mädchens war dermaßen sonnengebleicht, dass es fast schneeweiß aussah, und ihre Haut zeigte eine honigbraune Tönung. Sie trug einen ledernen Waffengurt, in dem links eine kleine Pistole steckte und rechts ein Messer in einer wettergegerbten Scheide.In der Hand hielt sie einen selbst gezimmerten Speer aus einem langen schwarzen Stück Metallrohr, das mit Leder bezogen war. Als Spitze diente die Klinge eines Marinekorps-Bajonetts. Hinter ihr lag ein Haufen toter Zombies. Das Porträt wirkte unglaublich lebensecht, eher wie ein Foto als wie ein Gemälde. Aber da es schon seit Jahren keine funktionierenden Kameras mehr gab, musste es sich um eine Zeichnung handeln.
    Ein Aspekt der Karte nahm Bennys Aufmerksamkeit besonders in Anspruch, fesselte ihn förmlich: der Gesichtsausdruck der jungen Frau. Der Künstler musste sie gekannt haben, denn er porträtierte sie mit einer ganzen Palette von Gefühlen auf ihrem wunderschönen Gesicht. Wut oder vielleicht Trotz verzog ihre vollen Lippen zu einer dünnen Linie. Stolz reckte sie das Kinn. Doch in ihren hellbraunen Augen erkannte Benny eine so tiefe, uralte Traurigkeit, dass ihm der Atem stockte. Er kannte diese Trauer, konnte sie tagtäglich in den Augen seines Bruders sehen. Und seit der Rückkehr aus dem kleinen Dorf am Berghang verdüsterte diese Trauer auch die Augen, die ihm aus dem Badezimmerspiegel entgegenschauten, morgens wie abends.
    Dieses Mädchen wusste Bescheid. Dieses Mädchen musste etwas von dem gesehen haben, das er gesehen hatte. Vermutlich sogar Schlimmeres. Sie hatte diese Dinge auf eine Weise wahrgenommen, die sich grundlegend von der Sichtweise der Kopfgeldjäger unterschied. Dieses Mädchen wusste Bescheid und Benny wusste, dass sie es wusste. Sie wusste es auf eine Art, wie Nix es nicht vermochte.
    In der Bildunterzeile am unteren Rand der Karte stand kein Name, nur die Worte »Das Verlorene Mädchen«.
    Chong beugte sich vor. Er wollte gerade einen Witz reißen,als er Bennys Gesichtsausdruck bemerkte und die Worte lieber für sich behielt.
    Dagegen war Morgie deutlich langsamer von Begriff. Er riss Benny die Karte aus der Hand. »Mmm, netter Vorbau. Fast so groß wie der von Nix.«
    Benny bewegte sich so schnell, dass er damit alle überraschte: Im einen Moment war seine Hand offen und leer, im nächsten krallten sich seine Finger in Morgies Hemd. »Gib sie zurück«, stieß er mit einer Stimme hervor, die eher an Toms Stimme erinnerte – älter, kompromisslos, hart.
    Für den Bruchteil einer Sekunde lächelte Morgie. Dann aber sah er den Ausdruck in Bennys Augen, worauf sich Überraschung, Furcht und eine Portion Kränkung auf seinem Gesicht widerspiegelten. »Ich … ich meine … Klar, Mann«, stotterte er. »Klar doch … ich wollte ja nur …«
    Benny zog die Karte zwischen Morgies Fingern hervor. Sie war verbogen, aber nicht zerknittert, und Benny strich sie auf seinem Oberschenkel glatt.
    Â»Tut mir leid«, murmelte Morgie, total verwirrt von Bennys Reaktion. Dieser schaute ihn an, ohne ihn wirklich zu sehen, und beugte sich dann vor, um die Karte genauer zu studieren. Morgie machte Anstalten, etwas zu sagen, doch Chong – der sich außerhalb von Bennys Sichtfeld befand – schüttelte kurz den Kopf.
    Ein Schatten legte sich auf sie. Als sie aufblickten, sahen sie Zak auf der obersten Stufe, der auf die Karte starrte. Er grunzte kurz, murmelte etwas Unverständliches, während er seine eigenen Karten in die Hosentasche schob, stapfte dann die Stufen hinunter und marschierte nach Hause.
    Die Jungen ignorierten ihn. Schließlich fragte Chong: »Wer ist dieses Mädchen?«
    Doch Benny schüttelte nur den Kopf.
    Â»Lies die Rückseite.«
    Benny drehte die Karte um und las langsam und sorgfältig den kleinen Textblock: »›Bonuskarte Nr. 3: Das Verlorene Mädchen. Es kursieren zahlreiche Legenden über ein wunderschönes

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