Lost on Nairne Island
schob er es auf Eifersucht. Ich hatte noch nie erlebt, dass er sich von irgendjemandem hatte einschüchtern lassen. Der einzige Mensch, von dem er je mit so etwas wie Ehrfurcht gesprochen hatte, war seine Mutter. Es gab keinen Zweifel daran, dass sie nicht unbedingt die liebevolle Mom gewesen war, die einen nach der Schule mit Keksen und einem Glas Milch begrüÃte. Sie gehörte eher zum Typ »ich verpass dir eins mit dem Lineal, dann wirst duâs schon kapieren«. Sie wäre mir eine groÃartige Hilfe gewesen, doch leider war sie schon seit Jahren tot. Verdammt. Ich hatte zwar einen Geist zur Hand, der mir helfen konnte, doch leider nicht den richtigen.
Mir klappte der Mund auf. Genau das war es. Die Idee war verrückt, aber langsam fand ich an ein wenig Verrücktheit in meinem Leben gefallen. Und die Sache war gerade verrückt genug, dass sie auch funktionieren konnte.
»Ich glaub, ich weià jetzt, was zu tun ist«, sagte ich und klatschte in die Hände.
»Psst.« Die schlecht gelaunte Bibliothekarin stand am Ende des Gangs und starrte mich finster an. »Du bist dir doch sicherlich im Klaren darüber, dass das hier eine Bibliothek ist, nicht wahr?«
Ich warf Mandy einen kurzen Blick zu, um zu sehen, ob sie was sagen würde, doch die verhielt sich still und hatte ein schiefes Grinsen im Gesicht. Sie schien an derartige Ausbrüche ihrer Kollegin gewöhnt zu sein, die penibel über die Einhaltung der Bibliotheksordnung wachte.
»Tut mir leid, wenn wir zu laut waren«, entgegnete ich.
»Wir?« Sie lupfte eine Braue.
Ich verkniff es mir, die Augen zu verdrehen. »Ich meinte natürlich, tut mir leid, wenn ich laut war. Wird nicht wieder vorkommen.«
»Die Bibliothek steht jedem zur Verfügung. Doch wenn du weiterhin die Leute hier störst, muss ich dich bitten zu gehen.«
Sie tat ja so, als hätte ich hier bei den Nachschlagewerken das Bongotrommelspielen geübt. Dabei hatte ich mich doch einfach nur mit einer anderen Bibliothekarin unterhalten.
»Ich verspreche, dass ich von jetzt an leise sein werde«, erklärte ich und hielt die rechte Hand hoch, als würde ich einen Eid ablegen.
Die Bibliothekarin starrte mich noch einige Sekunden lang prüfend an, als wollte sie meine Seele durchleuchten, ob ich auch die Wahrheit sagte oder ob ich vielleicht vorhatte, gleich wieder meine Bongos hervorzuholen, sobald sie mir den Rücken zugekehrt hatte. Ich gab mir alle Mühe, möglichst unschuldig zu wirken. Endlich nickte sie mir steif zu und marschierte zurück an ihren Schreibtisch.
»Sie wirft ein schlechtes Licht auf euch Bibliothekare«, flüsterte ich Mandy zu. »Ich muss jetzt los. Danke noch mal.«
»Gern geschehen.«
»Ich meinâs ernst. Du hast dich echt voll ins Zeug gelegt, um mir die nötigen Informationen zu verschaffen. Du warst mir wirklich eine groÃe Hilfe.«
»Eines Tages wirst du mir den Gefallen erwidern können.«
»Sag einfach, was ich für dich tun kann.«
»Ich werde beizeiten darauf zurückkommen.« Mandy warf mir ein sonderbares Lächeln zu und huschte dann durch die offene Tür, die nach hinten führte.
39
I ch wollte nicht warten, bis mich jemand mitnahm, daher beschloss ich, zu Fuà nach Hause zu gehen. Ich hatte gerade mal ein paar StraÃen geschafft, als mir klar wurde, dass ich mein Handy in der Bücherei hatte liegen lassen. Erst wollte ich es einfach dortlassen, doch dann ging mir auf, dass ich es vielleicht brauchen würde, um meinen Plan in die Tat umzusetzen. Das weite Laufen machte mir dabei fast nichts aus; heute war einer dieser perfekten Spätherbsttage. Ausnahmsweise regnete es mal nicht. Die Sonne schien und um mich herum fielen die Blätter und hinterlieÃen rote und goldene Lichtreflexe.
Die schlecht gelaunte Bibliothekarin legte gerade einen Kürbis auf der Treppe zum Büchereigebäude ab. Als ich an ihr vorbeiging, lächelte ich ihr kurz zu. Sie schien nicht allzu begeistert, mich schon wieder zu sehen. Ich hätte wetten wollen, sie war der Ansicht, ein Besuch von mir am Tag reichte völlig. Ich warf einen Blick zum Ausgabeschalter und suchte dann die Gänge in beide Richtungen ab, aber ich konnte Mandy nirgends entdecken. Deshalb schnappte ich mir einfach mein Handy, das auf dem Tisch lag.
»Kann ich dir irgendwie behilflich sein?«, fragte die Bibliothekarin.
»Ãh, nö. Ich hab nur
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