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Lost Place Vienna (German Edition)

Lost Place Vienna (German Edition)

Titel: Lost Place Vienna (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lost Place Vienna
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Valentina hatte Nicola gefunden, und das war
der Plan. Nicola sollte noch leben und mit den Nerven am Ende sein. Und das war
sie. Also hatte Alberto sich nichts vorzuwerfen. Wenigstens versuchte er sich
das einzureden. Tatsächlich wusste er aber genau, dass es Il Cervello auf
die Details ankam.
    Es hatte keinen Wert, über Geschehenes zu lamentieren. Er musste
nach vorne schauen. Über das Bilderrätsel hätte Valentina die nächsten
Koordinaten herausfinden sollen. Nun musste Alberto versuchen, sie selbst zu
ermitteln, sie Valentina unerkannt zukommen zu lassen und sie bei alldem stets
im Blick zu behalten.
    Er hielt inne. Es war absurd. Jetzt musste er die Hausaufgaben
seines Opfers machen. Es hätte doch auch sein können, dass Valentina das Rätsel
nicht löste, weil sie nicht schlau genug war? Aber damit kam er nicht weit. Il Cervello
würde den Cache schon so angelegt haben, dass sie die Lösung finden konnte.
Schließlich wollte er ja, dass sie die nächste Station anstrebte. Es blieb ihm
keine andere Wahl. Auch wenn er noch nicht wusste, wie er über die Aufhängung
einer Blondine zu den Koordinaten eines Ortes gelangen sollte.
    Vorsichtig lugte er um die Ecke. Die beiden Frauen standen noch
immer an der Stelle, an der er sie zuvor gesehen hatte. Die Blonde war auf den
Boden gerutscht und schien zu flennen. Valentina versuchte, sie zu trösten. Sie
half ihr hoch und führte sie stützend aus der Halle in Richtung Hinterausgang.
Alberto wartete, bis er das Knarzen einer Eisentür vernahm, und huschte dann zu
der Kiste mit den Seilen zurück. Er hatte noch einiges vor.
    * * *
    Nicola stakste neben Valentina durch die Nacht, als hätte man
sie im Weltall mit einer Flasche Sauerstoff aus dem Raumschiff geworfen. Alles
war oben und unten, rechts wie links. Sterne kreisten, Autolichter tanzten. Sie
grub ihre lackierten Fingernägel so in Valentinas Oberarm, dass sie beinahe den
Stoff der Armeejacke zerschnitten.
    Valentina packte Nicolas Hand und musste ihr fast die Finger
brechen, um sich von dem Klammergriff zu lösen.
    »Ganz ruhig, Nicola. Wir suchen uns einen ruhigen Platz, und dann
erzählst du mir alles, ja?«
    Nicola nickte apathisch und lehnte sich an eine Bretterwand, die die
Riesenbaustelle des Südbahnhofs umzäunte. »Ich brauche eine kurze Pause. Ich
kriege keine Luft.«
    Valentina betrachtete Nicola besorgt und fragte sich, was es damit
auf sich hatte, dass sie ausgerechnet an den Ort verschleppt worden war, den
sie selbst als nächste Cache-Station ermittelt hatte. Sie hatte auf das Buch
gehofft, das in der Cache-Beschreibung als Ziel angegeben worden war; hatte
geglaubt, dort würde sie die Lösung des Rätsels finden. Aber jetzt wurde ihr
klar, dass sie noch weit vom letzten Cache entfernt war. Und vom Täter
ebenfalls.
    Sie war naiv gewesen zu glauben, bereits nach zwei Etappen ans Ziel
zu gelangen, und hatte seit der an sie gerichteten Mail in Stefans Wohnung
begriffen, dass sie unter ständiger Beobachtung stand. Wie sonst hätte Nicola
zu genau der Zeit hierhergebracht werden können, zu der sie selbst hier
auftauchen würde?
    Nicola hatte bereits den Hochzeitsschleier ihrer Mutter getragen.
Nun war sie verschleppt worden. Es schien Valentina, als hätte der
Strippenzieher Nicola zu ihrer Stellvertreterfigur erkoren. Und wie alle
Menschen mit ausgeprägtem Gerechtigkeitssinn konnte man auch sie an diesem Punkt
packen. Es schmerzte sie nicht, wenn man sie selbst schlug, denn sie konnte
sich wehren. Wenn man sich aber an Schwächeren und Unschuldigen vergriff,
begann es in ihr zu kochen. Sie durfte nicht zulassen, dass man den Menschen um
sie herum Leid zufügte, nur weil sie selbst die Zielscheibe war, die man nicht
direkt treffen konnte oder wollte.
    Nicola atmete jetzt ruhiger und schien wieder klarer zu werden.
    »Besser?«, fragte Valentina.
    Nicola nickte.
    »Dahinten, hinter dem großen Baukran, gibt es eine Dönerbude. Wenn
du willst, kannst du dort erst einmal verschnaufen«, sagte Valentina.
    »Und was machst du?«
    »Ich gehe noch mal zurück und sehe mir den Ort genauer an.«
    »Nein, bitte nicht. Geh nicht dorthin. Ich will jetzt nicht allein
sein!«
    Nicola atmete gepresst ein und aus. Valentina legte den Arm um ihre
Schulter und versuchte sie zu beruhigen.
    »Ich muss zurück. Vermutlich gibt es dort
Spuren, die uns weiterbringen.«
    »Uns weiterbringen? Was meinst du damit?«, fragte Nicola. »Wie
konntest du überhaupt wissen, dass die Typen mich hierherbringen würden?«

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