Lost Place Vienna (German Edition)
versorgen ließ.
»Einmal Döner ohne Zwiebeln bitte.«
»Scharfe Soße?«
»Ja. Und viel Salat.«
Der Wirt röstete ein Fladenbrot, schabte das Fleisch vom Spieß und
stopfte es samt Rohkost und scharfer Soße in das warme Brot. Dann wickelte er
zwei Servietten darum und dichtete noch zusätzlich mit Alufolie ab, damit Fett
und Soße dem Kunden nicht über die Finger tropften. Es ging rasch, tausendmal
gemacht.
»Sonst noch was?« Auch diese Frage Alltagsrepertoire.
Trotzdem störte Valentina etwas. Es war die Spannung, mit der der
Türke den Kunden bediente. Die Kunden zuvor hatte er nachlässiger behandelt,
trotz derselben Handgriffe. Valentina reckte sich ein wenig, um den Kunden,
dessen Gesicht sich hinter einer Abzugsröhre verbarg, sehen zu können. Das
hätte sie besser unterlassen. Denn sie starrte direkt auf einen Kopf, der ein
Polizeibarett trug. Und er starrte zurück. Kein Zweifel. Er hatte sie erkannt.
Es war kein Beamter auf Streife. Die trugen Mützen. Nur im Sondereinsatz hatten
sie Barette auf dem Kopf. Und sie zu fassen war ein Sondereinsatz.
Valentina drehte sich kurz zu Nicola um. »Tut mir leid, ich muss
verschwinden. Bleib einfach ruhig sitzen und trink deinen Tee. So als wäre
nichts passiert.« Sie schulterte den Rucksack, riss die Tür der Dönerbude auf
und rannte hinaus.
Aber die Kollegen hatten sich bereits vor ihr aufgebaut. Es waren
vier, eine Frau und drei Männer.
»Frau Fleischhacker. Kommen Sie bitte mit uns mit«, sagte der mit
dem Döner in der Hand.
Valentina hatte wenig Chancen zu entkommen. Wenn es sein müsste,
würden sie auch schießen. Es war klüger, sich zu ergeben.
Hinter ihr wurde die Tür aufgerissen. Nicola schrie: »Was soll das
heißen, ich soll meinen Tee austrinken, als wäre nichts passiert? Bin ich ein
Stück Holz?«
Die Beamten nahmen für einen Moment den Blick von Valentina und
sahen nur die hysterisch kreischende blonde Frau im Eingang der Dönerbude.
Valentina nutzte den Augenblick, packte Nicola und stieß sie in
Richtung der Polizisten. Sie selbst verschwand in der Dönerbude, rannte an dem
Betrunkenen vorbei ins Hinterzimmer des kleinen Lokals und hoffte dort auf
einen Ausweg. Toiletten gab es hier nicht. Dafür eine Tür, die sich öffnen
ließ. Der Gang dahinter lag im Dunkeln. Hinter sich vernahm sie bereits die
Stimmen ihrer Verfolger. Sie waren zu viert, sie würden sich aufteilen. Zwei
würden sicherlich versuchen, ihr den Fluchtweg abzuschneiden. Wenn sie wussten,
wohin er führte. Valentina wusste es selbst noch nicht. Aber sie nahm ihn. Es
war ihre einzige Möglichkeit.
Schützend hielt sie ihre Arme vors Gesicht und rannte hinein. Sie
hatte keine Zeit, die Taschenlampe aus dem Rucksack zu holen. Dafür leuchteten
bereits die Lampen ihrer Verfolger hinter ihr. Ein Strahl schoss an ihr vorbei
und zeigte, dass der Gang in ein Lager mündete, das eine Tür und ein Fenster
hatte.
»Bleiben Sie stehen oder wir müssen schießen!«, rief die Stimme, die
eben noch »ohne Zwiebeln« bestellt hatte. Er würde es mindestens noch einmal
wiederholen, ehe er tatsächlich schoss. So wollten es die Vorschriften.
Vielleicht reichte die Zeit aus, um zu entwischen. Aber wohin? Durch die Tür?
Oder durch das Fenster? Valentina wettete mit jedem Schritt, den sie sich
beiden Möglichkeiten näherte, auf die bessere Variante. Die Tür, entschied sie
zuletzt.
»Stehen bleiben oder ich schieße!« Das war die zweite Warnung. Die
Tür war verriegelt. Der Lichtkegel der Taschenlampe nahm Valentina ins Visier.
Sie zerrte den Rucksack von den Schultern und hielt ihn vor sich, um dem
grellen Licht zu entgehen.
»Lassen Sie den Rucksack fallen und heben Sie die Hände über den
Kopf!«
Valentina hörte ein Geräusch hinter sich. Es waren die Kollegen, die
ihr den Fluchtweg abschneiden sollten. Sie hatten sich wohl beim Wirt
erkundigt, wohin die hinteren Räume führten, und sich von ihm den Schlüssel
geben lassen.
»Lassen Sie den Rucksack fallen und heben Sie die Hände über den
Kopf.«
Die Tür hinter Valentina wurde entriegelt. Jetzt würde der Kollege
nicht schießen. Es bestand einen Augenblick die Gefahr, die eigenen Leute zu
treffen. Valentina nutzte den Moment, hielt sich den Rucksack vors Gesicht und
sprintete damit auf das Fenster zu. Sich mit dem Rucksack schützend hechtete
sie durch die Fensterscheibe.
Das Glas barst klirrend. Valentina landete auf hartem Stein. Aber
sie spürte keinen Schmerz. Das Adrenalin in ihren Adern betäubte. Sie
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