Lost Place Vienna (German Edition)
Sie
entzog sich der Berührung Valentinas.
»Ich wusste es nicht. Ich bin auf ganz andere Weise hier gelandet.
Und ich sollte dich wohl hier finden. Du bist ein Teil meines Rätsels.«
Nicola blickte Valentina entgeistert an. »Ich bin was ?« Valentina konnte förmlich hören, wie sich die Drähte
in ihrem Hirn verlöteten, um auf einer logischen Bahn zu einem vernünftigen
Schluss zu kommen. »Moment mal. Heißt dass, der Auftritt von Stefan mit dem
Brautschleier und die Entführung jetzt haben mit dir zu tun?«
»Ich bin mir ziemlich sicher, ja.«
Nicola nickte, als ob sie verstünde, dann riss sie ihre großen Augen
noch weiter auf und begann mit ihren Fäusten wild auf Valentina einzudreschen.
Valentina ging in Deckung und passte den geeigneten Augenblick ab, um unter
Nicola hinwegzutauchen. Dann brachte sie sich zwischen sie und die Bretterwand
und drückte Nicola von hinten die Arme an den Körper.
»Ruhig, ganz ruhig. Ich will es dir erklären.« Es kostete sie einige
Mühe, die Furie zu bändigen. Schließlich baumelten Nicolas zarte Arme erschöpft
herab.
»Mir ist kalt«, sagte Nicola, bewegte sich aber nicht vom Fleck. Sie
wirkte wie eine Marionette, der man die Fäden abgeschnitten hatte. Würde man
ihr auch noch die Schnur kappen, die sich unsichtbar zwischen Schädeldach und
Himmel zog, sie würde saftlos zu Boden trudeln.
»Komm, wir gehen zu dem Türken rüber. Da ist es warm.«
* * *
Alberto hatte die Seilkonstruktion fast zu Ende geknüpft. Da er
auf die Blonde als Puppe nicht mehr hatte zurückgreifen können, hatte er sich
eine verlorene Prostituierte geschnappt, die im Schweizer Park auf Kundschaft
gehofft hatte. Das Chloroform, das er noch bei sich hatte, tat auch hier seine
Dienste.
Er zog an der Schnur, die er über einen Flaschenzug gelegt hatte,
und hievte die Frau in der Fadenkonstruktion nach oben. Arme, Beine, Hände und
Füße waren vertäut und die Seilenden in bestimmten Winkeln an den Stellrädern
des Boilers und der Heizungsanlage befestigt. Sie hing in der Luft wie ein
gespreizter Hampelmann.
Alberto trat einen Schritt zurück und neigte mit dem Blick des
Künstlers den Kopf. Ein leises Kichern entglitt ihm. Was er tat, war absurd.
Aber er war kein Kerl, der aus einer Zeichnung etwas ersehen konnte, er musste
die Dinge vor sich haben. Das hatte er nun, aber es sagte ihm dennoch nichts.
Wie sollte er aus diesem baumelnden Körper die Koordinaten des nächsten
Cache-Punktes ermitteln?
Vermutlich hatte die schöne Blonde damit etwas zu schaffen. Alberto
versuchte, sich sie anstatt der blassen Prostituierten vorzustellen. Aber es
war vergeblich. Er besaß diese Phantasie nicht. Sonst hätte er ja auch eine
Zeichnung abstrahieren können. Er gab es auf. Er musste Valentina auf andere
Weise finden.
Alberto grinste in sich hinein. Warum sollte er sie suchen? Sie
würde hierher zurückkommen. Sie hatte sicherlich nur die Blonde in Sicherheit
gebracht. Denn auch sie hatte die neuen Koordinaten noch nicht. Und die
brauchte sie, wenn sie weiterhin im Spiel bleiben wollte. Alberto konnte sich
nicht vorstellen, dass Valentina jetzt aussteigen würde.
Er rechnete, wie lange sie wohl brauchen würde, bis sie wieder hier
wäre, und versuchte gleichzeitig einzuschätzen, wie lange das Mädchen an den
Seilen noch ruhiggestellt war. Er überlegte einen Moment lang, sie zu töten,
dann würde sie keinen verräterischen Mucks mehr machen. Aber wenn sie tot wäre,
dann würde es womöglich die Aussage des Rätsels verfälschen. Die Blonde hatte
er schließlich auch nur betäuben sollen.
Alberto zog sich hinter den Boiler zurück und setzte sich so, dass
er, ohne selbst gesehen zu werden, den Eingang der Halle, gleichzeitig aber
auch das aufgeknüpfte Menschenbündel im Blick hatte.
* * *
Nicola nippte an einem Schwarztee, während Valentina den Eingang
der Dönerbude im Blick hatte. Sie hatte keine Lust auf Überraschungen.
Jederzeit konnte ein Gast oder ein Polizist hereinkommen, der sie erkannte. Von
dem Betrunkenen, der sich gerade einen weiteren Kräuterschnaps vom Wirt bringen
ließ, hatte sie nichts zu befürchten. Der war dicht und haderte mit seinem
Leben. Jedenfalls schimpfte er immer wieder auf eine Frau namens Lisa, die an
allem schuld war, ehe er wieder einen Schluck Bier im Wechsel mit dem
Kräuterschnaps zog. Der Wirt selbst schien auch nicht auf Valentina zu achten.
Er hatte mit der Laufkundschaft zu tun, die sich durch das Fenster nach draußen
mit Lammfleisch
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