Lost Princesses 02 - Ketten Der Liebe
verließ. Dann würde er sich zum Festland rudern lassen und zu Hause ein wohltuendes Bad nehmen.
Er zog sich den Mantel enger um die Schultern und lächelte in den Nebel hinein. Mit beinahe diebischer Freude malte er sich Amys Gesichtsausdruck aus, wenn sie die unterste Stufe erreichte und entdeckte, dass die Pritsche leer war.
Sie könnte allerdings auch irgendeine Ausrede Vorbringen, um nicht in den Keller zu müssen. Er hatte ihr zwar Vergnügen bereitet, sie gleichzeitig aber auch zu Tode erschreckt. Sie war so wundervoll gewesen, wie er es sich vorgestellt hatte, und sobald er mit seinen Gedanken bei Amy war, erwachte seine Fantasie. Doch jetzt, da er das wunderbare Gefühl erlebt hatte, Amy in den Armen zu halten, machte er sich bewusst, dass er sie nicht an den Galgen bringen konnte.
Dadurch würde er sich nur um sein Vergnügen bringen.
Der kommende Tag würde demnach ganz anders aussehen, als alle Beteiligten es sich vorstellten. Onkel Harrison würde eine Nachricht von seinem quicklebendigen, aber sehr verstimmten Neffen erhalten. Miss Victorine würde sich eine gehörige Standpauke von ihrem Herrn gefallen lassen müssen. Und Amy mit der verächtlichen Miene ...
»Und, glaubst du, dass sie mit dieser Entführung überhaupt an Geld kommen?« Die Stimme eines Mannes. Und diese Stimme kam ihm irgendwie bekannt vor.
Jermyn horchte auf und rückte näher an das Fenster.
»Ich fürchte, dass alles schiefläuft«, sagte ein anderer Mann, dessen Stimme ihm auch nicht unbekannt war.
»Ich habe euch ja gesagt, dass wir uns da nicht hineinziehen lassen dürfen«, mischte sich eine Frau in vorwurfsvollem Ton ein.
»Sie haben doch gar nichts damit zu tun.« Eine andere Frauenstimme. Sie sprach schroff und verärgert. »Ihnen wird niemand etwas vorwerfen. Sie werden überhaupt nicht bestraft, aber denken Sie daran: Wäre das Vorhaben gelungen, hätten auch Sie Ihren Nutzen davon gehabt.«
»Mir ging es nie ums Geld!«, entgegnete die erste Frau mit beinahe schriller Stimme.
»Ihr Cottage ist doch genauso heruntergekommen wie die anderen. Dachten Sie, wir lassen es so weit kommen, dass Ihnen das Dach über dem Kopf zusammenstürzt? Sie hätten sich alles ausbessern lassen, aber keine Sorge. Wir werden Sie nicht unter den Trümmern suchen, wenn das Haus einstürzt.«
»Mertle!« Jermyn erkannte die tiefe Stimme wieder. Dieser Mann war noch am Nachmittag oben in Miss Victorines Küche gewesen. Das war Amys Handlanger. Der große Mann, der bei der Entführung geholfen hatte. »Mrs. Kit-chen hat es nicht verdient, so abgekanzelt zu werden.«
»Das will ich doch meinen!«, empörte sich Mrs. Kitchen.
Die Frau, die Mertle genannt wurde, zog es offenbar vor, zu schweigen.
»Er ist ja nicht immer so gewesen.« Nun sprach wieder ein anderer Mann, den Jermyn zu kennen glaubte. Er hatte eine tiefe Stimme, kaum einen Akzent und mochte schon älter sein. »Wissen Sie noch, Pom, als Sie und der Marquess noch Jungen waren und zusammen die Klippen bei Summerwind Abbey erkundeten?«
Während Jermyn noch angestrengt überlegte, wer dieser Sprecher sein mochte, brachen die Leute in der Schankstube in lautes Lachen aus.
»Nein, verschonen Sie mich mit dieser alten Geschichte.« Die tiefe Stimme von Amys Handlanger.
Pom. Plötzlich erinnerte Jermyn sich, dass er früher einen jungen namens Pom gekannt hatte. Sie waren ungefähr gleich alt gewesen - und selbst damals war Pom ein großer Bursche gewesen. Ein netter Junge, der seinem Vater schon früh beim Fischen geholfen hatte.
Und als Jermyn an den unseligen Tag zurückdachte, als Amy ihn betäubte, wurde ihm bewusst, dass aus dem Pom von früher ein wahrer Riese geworden war.
Der ältere Mann fuhr fort: »Ihr beide fingt an, von der Klippe auf einen Fels zu springen, der darunter lag. Und der alte Marquess sah das und dachte, ihr wärt beide in den Tod gesprungen.«
»Ja, und als wir wieder nach oben geklettert waren, hat Lord Northcliff uns beim Kragen gepackt und uns eine Tracht Prügel verpasst.« Poms Stimme klang ein wenig gequält, als entsinne er sich der Lektion ebenso klar wie Jermyn.
Die anderen in der Schankstube hielten sich die Bäuche vor Lachen. Woher sollten die Leute auch ahnen, dass Jermyn damals zu Tode erschrocken gewesen War, als er in das bleiche und doch zornige Gesicht seines Vaters gesehen hatte? Und als Jermyn versuchte, seinem Vater zu erklären, dass sie doch nur auf den Felsen geklettert waren und genau wussten, wohin sie sprangen, hatte
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