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Lotta Wundertüte: Unser Leben mit Bobbycar und Rollstuhl (German Edition)

Lotta Wundertüte: Unser Leben mit Bobbycar und Rollstuhl (German Edition)

Titel: Lotta Wundertüte: Unser Leben mit Bobbycar und Rollstuhl (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sandra Roth
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wenn es regnet und der Nachmittag mal wieder nicht umgeht?
    Rede ich mir Lotta hier gerade schön? Habe ich etwa schon alles vergessen?
    Die Klinik. Die Ärzte. Die Angst. Das Blaulicht. Die Kämpfe. Die Krämpfe. Die Blicke. Mein Kind hat so was noch nie gesehen. Nichts, was Sie und ich wichtig finden. Manche Kinder finden nicht mehr heraus. Laufen? Krabbeln? Gar nichts?
    Spricht nicht doch mehr gegen behinderte Kinder als dafür? Entscheiden sich nicht deshalb schätzungsweise 90 Prozent der werdenden Eltern nach der Diagnose »Ihnen droht ein behindertes Kind« für eine Abtreibung?

    In der Sitcom würden wir jetzt hier am Tisch eine Pro-Kontra-Liste machen. Ich kann es fast vor mir sehen: auf einem Bogen roten Geschenkpapier. Mit Silberstift.
    »Fang du an«, sage ich zu Rafaela. »Kontra.«
    »Ich will nicht immer für andere da sein müssen.«
    »Hast du Eltern? Die werden alt.«
    »Aber später. Nervt es dich nicht, dass deine Tochter immer auf dich angewiesen ist?«
    »Ist sie nicht, wenn sie im Kindergarten ist. Und es kann erfüllend sein, sich intensiv um jemand zu kümmern. Ich habe eine Aufgabe, ich werde gebraucht. Ist es nicht das, was wir alle wollen?«
    »Ooooh«, machen die Zuschauer. Rührung vom Band.
    »Jetzt komm mir nicht mit Camus«, sagt Clara.
    »Camus?«
    Hände zu Gänsefüßchen, Clara zitiert: »Der Kampf gegen Berggipfel vermag ein Menschenherz auszufüllen. Wir müssen uns Sisyphos als einen glücklichen Menschen vorstellen.«
    »Uhuu«, sagt Andrea. »Bildung.«
    Die Zuschauer lachen.
    »Und wenn ich noch mehr Kinder will?«
    »Lotta hat ein eigenes Zimmer gekriegt«, sage ich. »Ben ist immer noch sauer.«
    »Der reinste Engel«, sagt Clara.
    »Im Moment nimmt er ihr oft die Spielsachen weg. Aber das finde ich gut. Normal.«
    Rafaela: »Wenn ich mal nicht mehr bin, wer kümmert sich dann?«
    »Treffer«, sage ich. »Eine meiner größeren Sorgen.«
    »Man muss ja auch an das Kind denken.«
    »Abtreibung als Samariter-Akt?«
    »Na, wenn der Arzt sagt, dass es sehr stark eingeschränkt sein wird.«
    »Das kann der Arzt meist gar nicht sagen. Bei den meisten Diagnosen gibt es eine riesige Bandbreite. Das sagt nur wenig darüber aus, wie dein Leben mit diesem Kind sein wird.«
    »Aber doch wohl auf keinen Fall so glücklich wie mit einem nicht behinderten Kind?«
    »Das weiß ich nicht«, sage ich und kratze die letzten Reste aus meiner Eiscreme-Schüssel. »Weißt du, wir erstellen doch bei allem Hierarchien: An Nummer 1, weit oben, steht das gesunde Kind. Dann kommen Gluten-Unverträglichkeit, Schuppenflechte. Asthma. Am unteren Ende steht irgendwo Leukämie.«
    Ich male eine Treppe auf Andreas rotes Geschenkpapier. »Und was, wenn man auf jeder dieser Stufen glücklich oder unglücklich sein kann? Auch wegen Schuppenflechte kann man nachts wach liegen. Ein properes Kind ist keine Garantie für Glück und ein behindertes keine für Unglück. Vielleicht ist weniger wichtig, auf welcher Stufe wir stehen, und entscheidender, wie wir damit umgehen. Und das verrät dir kein Test vorher.«
    Und jetzt: Werbung. Kaufen Sie ein Mega-Los. Ich schaue mich um. Andrea macht eine Pause vom Packen und zeigt auf ihrem Handy die Fotos vom letzten Cluburlaub. Clara hat Elvis gegen Boy getauscht. Ich lebe nicht in einer Sitcom. Ich halte meine Rede nicht, ich male keine Treppe aufs Geschenkpapier. Vielleicht ist sie sowieso falsch. Gibt es nicht auch eine Stufe ganz unten, auf der man nicht glücklich sein kann? Habe ich den letzten Winter schon vergessen?
    Soll Rafaela die Tests machen, falls sie schwanger wird. Vielleicht wird sie irgendwann vor der Wahl stehen, was sie mit den Ergebnissen macht. Wie sie sich entscheidet, ist ihre Sache und sollte es auch sein.
    Andrea schaut zu mir und hält kleine Tüten mit Brausepulver hoch: »Wäre das nichts für Lotta?« »Stimmt, gute Idee.«
    »Ich stand im Supermarkt und dachte, irgendwas muss es doch geben.«
    Clara schiebt eine Tüte Ballons mit LED-Lichtern rüber. »Die leuchten im Dunkeln.«
    Ich weiß, wie lange man suchen muss. Ich weiß, wie wenig es gibt, das wirklich passt.
    »Musst nicht so gerührt sein«, sagt Clara. »Lotta gehört genauso dazu wie alle anderen.«
    Danke, Bullerbü.

    An Lottas drittem Geburtstag singen wir »Hoch soll sie leben« und Ben pustet für Lotta die Kerzen aus. Lotta isst zwei Stücke Geburtstagskuchen, die ich ihr zuerst in den Mixer stecke. »Schokokuchenbrei«, sagt Ben. »Findest du das wirklich lecker,

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