Lotte, Motte und ich
Mama seufzte nämlich und guckte streng. Dann sagte sie: »Tinka, wir müssen miteinander reden.«
Das ist ja eigentlich nichts Schlimmes, miteinander reden, aber so, wie Mama es sagte, klang es, als müssten wir zum Zahnarzt. Na ja. Ehrlich gesagt, dachte ich mir schon, dass es nicht um den Zahnarzt ging, sondern, noch schlimmer, um Olov. Und so war es auch. Mama sagte: »Ich will, dass du dich Olov gegenüber besser benimmst!«
Ich sagte nichts. Ich nahm mir einen Toast und schmierte Butter darauf.
»Tinka, schau mich mal an.«
Ich schaute sie an. Aber ich versuchte, so zu gucken, dass sie mit ihren Blicken nicht in mich hineinkam.
»Olov bemüht sich so sehr und von dir kommt immer nur Abwehr!«
»Stimmt doch gar nicht«, sagte ich und schaute wieder auf meinen Toast.
Jetzt wurde sie richtig wütend. Das merkte ich an ihrer Stimme, die klang auf einmal so schrill und kieksig. »Und wie war das dann gestern mit dem Fußball? Er ist so nett und leiht ihn dir! Und du? Du verlierst ihn und entschuldigst dich noch nicht einmal! Tinka, ich will, dass der Fußball hier auf dem Tisch liegt, wenn Olov heimkommt!«
Ich nickte.
»Und ich will, dass du dich dann entschuldigst.«
Ich nickte wieder. Aber nur, weil Mamas Stimme so schrill klang und ich mich nicht traute, etwas zu sagen. Eigentlich fand ich, dass sie das alles nichts anging. Das war doch Olovs Sache und meine. Und außerdem war es ja nicht absichtlich. Ich konnte doch nichts dafür, dass der Ball verschwunden war. Und sonst sagte Mama auch immer, wenn es aus Versehen ist, ist es nicht so schlimm.
»Also, dann haben wir uns ja verstanden«, sagte sie und trank einen Schluck Kaffee. Aber ein gemütliches Frauenfrühstück, wie wir es manchmal in Bergenheim gemacht hatten, wurde es nicht mehr.Ich aß meinen Toast und ging dann runter in den Hof. Lotte saß schon oben auf der Rutsche und wickelte sich eine Haarsträhne um die Zungenspitze.
»Und?«, rief ich und lief auf sie zu. »Was ist?«
Sie spuckte die Locke aus. »Wieso? Was soll sein?«
»Na, warum hast du das besondere Zeichen geblinkt?«
Lotte lachte. »Ach, ich wollte halt Blinkzeichen geben und die anderen Botschaften kamen nicht infrage.«
Enttäuscht kletterte ich die Leiter zu ihr hinauf. »Und Fabian? Hast du gestern was beobachtet?«
»Der ist in sein Zimmer gegangen, das war’s.«
Sie rutschte hinunter und ich rutschte hinterher.
»Spielen wir Hindernislauf?«, fragte ich.
Aber Lotte meinte: »Es ist noch zu früh, die Petzel-Petze ist noch da.«
Wir setzten uns auf die Bank. Irgendwie lief heute alles blöd.
»Weißt du, wo mein Fußball ist?«, fragte ich.
»Nee«, sagte Lotte. »Keine Ahnung. Hast du den hier liegen lassen?«
Ich nickte. »Jetzt ist Mama sauer.«
»Sollen wir ihn suchen?«
Ich zuckte mit den Schultern. Dazu hatte ich jetzt auch keine Lust.
Da packte mich Lotte an den Schultern und riss die Augen ganz weit auf. »Bestimmt war das auch Fabian!«, rief sie. »Sonst wohnt hier niemand, der sich für Fußbälle interessiert. Und wenn er schon die Zauberspruchmaschine geklaut hat, dann klaut er auch andere Sachen!«
6
Alles nur Tarnung
Also, eigentlich glaubte ich das nicht. Ich glaubte, dass der Ball irgendwo unter einen Busch gekullert war. Und es war ja fies, Fabian einfach so zu verdächtigen. Aber Lotte war so begeistert, dass ich das nicht sagen wollte.
Also murmelte ich nur: »Meinst du?«
Lotte nickte: »Ganz bestimmt. Wir müssen ihn unbedingt den ganzen Tag beschatten.«
Das wollte ich natürlich auch. Sehr sogar. Ich dachte mir, solange wir niemandem sagten, dass Fabian etwas geklaut hatte, ist es nicht wirklich fies.
Lotte meinte, dass wir gleich hochgehen und an seiner Tür lauschen sollten. Das machten wir auch.
Wir kauerten im Gang und pressten unsere Ohren unter der Bayern-Flagge an die Tür. Dabei sahen wir uns an und mussten furchtbar kichern. Aber das durften wir nicht, weil Fabian uns ja nicht hören sollte!
Wir legten also immer unseren Zeigefinger auf die Lippen, um uns gegenseitig zu zeigen, dass wir jetzt wirklich ruhig sein mussten. Aber bei mir wurde es dann nur schlimmer. Vor allem, weil Lottes runde Steckdosen-Nasenlöcher immer so zuckten, wenn sie sich das Lachen verkniff. Ich presste den Mund zusammen, damit das Kichern nicht rausrutschte. So fest, dass es wehtat! Nicht nur an den Lippen, sondern auch im Mund und im Hals.
Dabei gab es eigentlich gar nichts zu hören. Fabian war nämlich allein in seinem Zimmer.
Weitere Kostenlose Bücher