Lotte, Motte und ich
seinen Kopf an Lottes Knie und sah sie mit ganz großen schwarzen Augen an. Wie Murmeln waren die Augen, wie dunkle, blank polierte Murmeln.
»Vielleicht dürfen wir ihn spazieren führen!«, meinte Lotte. »Das wäre doch toll!«
»Hmm«, sagte ich. Ich glaubte nicht daran. Wir wussten ja nicht mal, wem der Hund gehörte.
»Wir warten einfach, bis sein Besitzer kommt«, schlug Lotte vor.
»Hm«, sagte ich wieder. So toll fand ich es nicht, in diesem langweiligen Hinterhof herumzusitzen. Lotte schon.
Sie tuschelte mit dem Hund und kraulte ihn und zwischendurch warf sie immer wieder einen Blick zur Haustür, ob der Besitzer wohl käme.
Aber er kam nicht.
Es dauerte sehr lang. Das Komische war, dass mir gar nicht langweilig wurde. Ich fing nämlich an, den Hund am Rücken zu streicheln, und da schaute er auch mich mit seinen Murmelaugen an. »Du bist ja so niedlich!«,sagte ich zu ihm – und da schleckte er mir über die Hand. Beim ersten Mal fand ich das eklig und wischte die Hand an meiner Hose ab. Als ich sie abwischte, sah ich auf meiner Armbanduhr, dass es schon Viertel nach zwölf
Uhr war.
Später fand ich das Lecken nicht mehr eklig, dafür wurde ich nervös. Wir mussten ja um halb eins zum Mittagessen nach Hause. Um zwei vor halb sagte ich: »Wir müssen jetzt heim!«
»Aber der Hundebesitzer!«, meinte Lotte. »Wir müssen unbedingt herausfinden, wer das ist!«
Ich wollte wieder »Hm« sagen.
Aber da stand Lotte schon auf und meinte: »Na ja, wir finden das bestimmt auch nach dem Essen raus. Gut, dass ich jetzt eine Freundin habe, die Detektivin ist.«
Genau das sagte sie.
Da freute ich mich. Ich freute mich so, dass es mir egal war, ob wir jetzt einen echten Dieb oder nur einen Hundebesitzer suchten.
7
Die neue Spur
Zu Hause war dann eine gute Sache passiert. Amelie hatte eine Postkarte geschickt. Sie lag auf dem Küchentisch. Auf dem Bild war ein Hase, der seine Schlappohren ganz traurig nach unten hängen ließ, und daneben stand: Du fehlst mir. Hinten hatte sie draufgeschrieben, dass die Fenster von unserem Häuschen jetzt ganz leer und dunkel und traurig aussahen und dass sie nachmittags mit Anna vom hinteren Bauernhof Inliner gefahren sei, was blöd gewesen war, weil Anna ja erst fünf ist. Und sie hatte geschrieben, dass sie mich mal besuchen wollte.
»Mama, aber wann kann mich Amelie dann besuchen?«, rief ich und schaute zu ihr hinüber.
Von Mama sah ich aber nur den Hintern. Ihr Kopf steckte in einer Umzugskiste und um diese Kiste herum stapelte sich der Inhalt von mindestens drei weiteren Umzugskisten. Teller, Kochbücher, Töpfe, Bügeleisen, Schuhputzzeugund noch viel mehr. Jetzt tauchte sie auf: »Sag mal, weißt du, wo der Dosenöffner ist?«
Ich schüttelte den Kopf. »Mama, wenn Amelie nicht an meinem Geburtstag kommen darf, wann dann?«
Mama streckte sich. »Ich habe gedacht, ich mache uns nur eine Dose Ravioli, das geht am schnellsten, und solange die Spülmaschine noch nicht da ist ... Was hast du gesagt?«
»Wann kann mich Amelie besuchen?«
»Nicht schon wieder!« Mama seufzte und stützte sich mit beiden Händen auf den Küchentisch.
»Das ist doch eine neue Frage!«, protestierte ich. »Wenn nicht an meinem Geburtstag, wann dann?«
Mama sah mich so an, als würde sie mich nicht mehr erkennen. Aber das war ein gutes Zeichen, denn dieser Blick bedeutete, dass sie nachdachte. Als ihre Augen nach einer Weile wieder normal schauten, sagte sie: »Also, wenn das Baby ein paar Wochen da ist und sich so weit alles eingespielt hat, dann kann Amelie jederzeit kommen.«
Ich rechnete. Am 30. August hatte ich Geburtstag. Und da sollte ja das Baby kommen. Ein paar Wochen waren wohl mindestens drei. »Am 21. September?«
Mama war mittlerweile schon wieder mit dem Kopf in einer Umzugskiste verschwunden. »Ich denke, das müsstegehen«, klang es dumpf daraus hervor. » Aber jetzt hilf mir mal bitte, den Dosenöffner suchen!«
Wir fanden ihn nicht.
Und da passierte die nächste gute Sache. Mama meinte, wir könnten ja zu McDonald’s gehen. McDonald’s! Das schlug sie selber vor! Dabei ist sie normalerweise ganz streng dagegen. Ich habe überhaupt erst einmal bei McDonald’s gegessen, und das war, als ich mit Amelie und ihren Eltern einen Ausflug gemacht habe. Klar wollte ich zu McDonald’s!
Also erst.
Dann fiel mir wieder ein, was Lotte gesagt hatte: dass es gut war, dass sie eine Freundin hatte, die Detektivin war, und dass sie mich jetzt brauchte. »Kann ich mir das
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