Louisiana-Trilogie 1 - Tiefer Süden
behauptete ja, mit der Herrschaft verwandt zu sein. Und wenn Benny tatsächlich etwas von seiner Abkunft wußte und darüber redete, würde David das nur für Prahlerei halten.
Aber David machte sich noch Sorgen wegen des jungen Negers. Judith hörte, daß er eines Tages mit Emily darüber sprach.
»Was hat dein Vater denn mit diesem hellfarbigen Aufseher auf dem Zuckerfeld gemacht?« fragte Emily.
»Zur Zeit läßt er ihn auf den Orangenplantagen arbeiten. Aber das ist keine Beschäftigung für das ganze Jahr. Später muß er ihn doch auf die Baumwollfelder schicken. Er glaubt mir nicht, daß Benny ein geborener Rebell ist. Mit dem Mann werden wir überall Schwierigkeiten haben. Wenn ich Herr auf der Plantage wäre, würde ich ihn so schnell wie möglich entfernen.«
Judith ging hinaus und schalt die Hausmädchen, weil sie den Bronzeklopfer an der Haustür nicht ordentlich geputzt hatten. Dadurch fanden ihre überreizten Nerven eine Entspannung. Sie atmete auf, als David beim Essen über Politik und nicht über die Zustände auf der Plantage sprach.
Sie war auch froh, daß die Politik ihr Interesse immer stärker in Anspruch nahm und ihre Gedanken auf diese Weise von Benny abgelenkt wurden. Lange Zeit hatten sich die Bewohner der Dalroy-Höhen nicht um ihre politische Zugehörigkeit gekümmert. Sie änderte sich so häufig, daß sie ihnen so unkontrollierbar wie das Wetter erschien. Aber nun war ein Zustand der Ungewißheit eingetreten, der die Entwicklung und das Aufblühen des Landes beeinträchtigte. Dalroy wuchs schnell. Seitdem die Vereinigten Staaten das Land gekauft hatten, bevölkerte sich Louisiana rasch, aber Dalroy gehörte zu dem Teil, der einst ein Bezirk Westfloridas gewesen war. Als die Provinz früher unter englischer Herrschaft stand, war sie vollkommen von Louisiana getrennt gewesen, und ob Westflorida nun zu Louisiana gehörte oder nicht, schien bei dem Verkauf des Landes nicht klar entschieden zu sein.
Judith bat David, es ihr zu erklären.
»Es ist wirklich sonderbar«, antwortete er. »Die Amerikaner nehmen an, daß wir zu den Vereinigten Staaten gehören, aber der spanische Gouverneur ist immer noch hier. Und in der Zwischenzeit gehorchen wir den amerikanischen Gesetzen, die uns zusagen. Und niemand kümmert sich viel darum.«
Er äußerte sich so gleichgültig darüber, daß Judith erstaunt war, als die Bewohner des Dalroy-Höhenzuges plötzlich beschlossen, in der Angelegenheit etwas zu tun.
Es war ein Tag im Spätsommer. Judith saß auf der Galerie und stickte an einem Kleid für Emilys kleinen Sohn Sebastian.
Plötzlich kam Emily eilig die Vordertreppe hinunter. »Aber Mutter, wollen all diese Herren zum Abendessen zu uns kommen?« fragte sie erstaunt.
Judith wandte sich um. »Welche Herren meinst du denn?«
»Ich sah sie von oben.« Emily zeigte in die Richtung, und Judith sah, daß Philip und David in Begleitung von etwa zwanzig anderen Männern in die Auffahrtsstraße einritten. Sie hielt den Atem an. An guten Tagen ließ sie gewöhnlich für zehn Leute kochen, denn es war immer möglich, daß Philip und David jeder etwa drei Gäste unangemeldet mitbrachten. Aber auf ein großes Festessen war sie nicht vorbereitet.
»Die Mädchen können Rühreier machen«, sagte sie zu Emily. »Aber ich wünschte nur, sie hätten mir vorher gesagt, daß sie eine Gesellschaft planten.«
»Es sieht aber nicht so aus, als ob es eine Gesellschaft werden sollte«, widersprach Emily. »Es sind keine Damen dabei.«
Judith ging zur vorderen Treppe, um die Gäste zu begrüßen. Es waren die drei jungen Purcells, Louis Valcour, Roger Sheramy, Christoph, mehrere Mitglieder der Familie Durham, Carl Heriot mit zwei Brüdern und noch verschiedene andere.
»Kannst du uns etwas zu essen geben?« fragte Philip, als er aus dem Sattel stieg.
»Ja«, rief sie zurück, »wenn ihr keine besonderen Ansprüche stellt und mit dem zufrieden seid, was ihr bekommt.« Sie mußte lachen, obwohl sie sich ärgerte. Philip machte ein so verschmitztes Gesicht wie ein Junge, der dabei ist, die Speisekammer zu plündern. Während die anderen Emily begrüßten, nahm sie Philip an der Treppe zur Seite. »Was führt ihr denn jetzt wieder im Schilde?« fragte sie.
Er lächelte sie vergnügt an. »Wir sind dabei, den spanischen Gouverneur abzusetzen.«
»Um Himmels willen, Philip! Wie wollt ihr denn das machen?«
Er lachte und schlug mit der Reitpeitsche durch die Luft. »Wir treffen uns heute abend im Dunkeln auf dem
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