Louisiana-Trilogie 1 - Tiefer Süden
schmerzte, und bedeckte ihre Lippen mit Küssen. Judith hatte früher manchmal darüber nachgedacht, wie es sein müßte, von einem Mann geküßt zu werden. Sie hatte immer geglaubt, es müßte sehr peinlich sein. Aber jetzt empfand sie es als das Schönste und Herrlichste, was sie je erlebt hatte. Nachdem sie sich diesem Gefühl einen Augenblick überlassen hatte, stieß sie ihn von sich.
»Tu das nicht!« rief sie. »Du bist ein Seeräuber – ein Dieb – ein Mörder –«
Philip wich zurück, als ob er sie nicht wieder anrühren wollte. Er lächelte nicht mehr belustigt, sondern sehr zärtlich und liebevoll. »Ja, das stimmt wohl. Aber du wirst nie wieder jemand finden, der dich so heiß liebt wie ich.«
Tränen traten in ihre Augen.
»Du liebes Mädchen«, sagte er, nahm ihre Hände in die seinen und ließ die Topaskette in ihre Finger gleiten. »Liebst du mich denn nicht auch?« fragte er leise.
»Ich weiß es nicht«, erwiderte sie gebrochen. »Ich weiß nur das eine – wenn ich es tue, ist es Sünde. Du hast so viel Schreckliches getan – du mußt alle zehn Gebote gebrochen haben –«
»Ja, jedes einzelne«, entgegnete er sofort. »Und ich will sie wieder alle zehn brechen um deinetwillen, oder ich will sie um deinetwillen halten, was bedeutend schwerer ist. Darf ich dir nicht einmal alles von Anfang an erzählen, Judith?«
Sie setzten sich nebeneinander ins Gras. Wenn Gott einen so schönen und herrlichen Menschen wie Philip Larne erschaffen konnte und ihn später zur Hölle verdammte, wäre das eine üble Verschwendung, dachte Judith.
»Liebste Judith, ich möchte dich doch heiraten. Es ist sonderbar – ich habe nie geglaubt, daß ich einmal den Wunsch haben könnte, jemand zu heiraten. Darf ich fortfahren?«
Sie nickte.
Philip legte den Arm um die Knie.
»Judith, ich bin ein nichtsnutziger jüngerer Sohn. Aber wenn man ein nachgeborener Sohn an der Gullahküste ist, kann man kaum etwas anderes sein als nichtsnutzig. Man kann entweder Geistlicher, Offizier oder Richter werden, und wenn einem das alles nicht gefällt, ist man zur Untätigkeit verdammt. Solange ich zurückdenken kann, wollte ich Pflanzer werden, aber die große Farm ging auf meinen älteren Bruder über. Nach dem Tode meines Vaters hatte ich stets Streit mit meinem Bruder. Da ich nichts zu tun hatte, trank ich viel und spielte auch mehr, als gut war, so daß alle Leute sich über mich ärgerten. Schließlich kaufte er mir eine Offiziersstelle in der Armee und schickte mich fort, damit ich gegen die Franzosen kämpfen sollte.«
Judith sah auf den Strom hinaus. Das Wasser war dunkelgelb wie die Topase, die sie in der Hand hielt.
»Zuerst gefiel mir der Krieg«, fuhr Philip fort, »aber mit der Zeit wurde mir auch das langweilig, und als die Feindseligkeiten zu Ende gingen und der Friede geschlossen wurde, kehrte ich nach Karolina zurück. Eines Abends trank ich zuviel, geriet mit einem Vetter über ein Mädchen in Streit, das uns im Grunde nicht das geringste anging, und am nächsten Tage duellierten wir uns. Er schlug mir mit seinem Rapier eine Wunde ins Gesicht –«
»Was, du hast die Narbe im Duell erhalten?« fragte sie vorwurfsvoll.
»Ja, liebes Kind, und wenn ich ihn nur im Gesicht verwundet hätte, wäre ich vermutlich jetzt nicht hier auf dem Fluß. Aber leider muß ich gestehen, daß ich ihm mit einem scharfen Hieb von unten herauf den Leib aufschlitzte.«
»Philip!«
»Drei Tage später starb er unter den größten Schmerzen, und ich mußte das Land verlassen. Als ich daher hörte, daß König Georg die Soldaten belohnte, die gegen die Franzosen gekämpft hatten, und ihnen Land in Louisiana schenkte, bat ich um meinen Anteil. Meine Felder liegen auf den Höhen von Dalroy.«
»Was? Dort liegt auch das Land meines Vaters!«
»Dann sind wir beide glücklich. Es ist bestes Land. Aber was nützte mir das alles? Ich konnte doch nicht nach Louisiana gehen ohne Pflüge, Sklaven oder Geld, um mir Schwarze zu kaufen?«
»Und so hast du –« Sie schwieg und sah ihn fragend an.
»So habe ich mich aufgemacht und mir beschafft, was ich brauchte. Ich nahm es von den Schiffen, die den älteren Söhnen an der Küste von Karolina Güter brachten. Sie hatten sie zwar gekauft, aber sie brauchten sie nicht. Schließlich eroberten wir Bonylegs' Schiff mit seinen Schätzen, und darauf verließ ich die See. Ich habe alles gestohlen, was ich besitze, aber es ist im ganzen nur so viel, als mein väterliches Erbe ausmachen
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