Love you, hate you, miss you: Roman (German Edition)
hatte sie das perfekte Outfit zusammen, etwas, das außer ihr niemand tragen konnte.
Jedenfalls hatte sie den Rock ausgesucht, er war in meiner Tasche, und wir konnten uns nur mit größter Mühe das Lachen verkneifen, als wir aus dem Laden gingen.
Ich bekam kaum Luft, als ich daran dachte. Wir mussten uns so beherrschen, um nicht loszuprusten! Und
wie
Julia dann lachte, als wir wieder draußen in der Passage waren, den Kopf zurückgeworfen und mit leuchtenden Augen.
Julia hat immer so laut gelacht, so unbeschwert.
Ich werde ihr Lachen nie wieder hören.
Plötzlich verschwamm alles vor meinen Augen, wurde schwarz an den Rändern.
»Mom«, sagte ich. »Ich muss mich hinsetzen.«
Mom brachte mich in den Food Court, bestellte mir eine Limo und rief Dad an. Ich machte mir nicht die Mühe, das Gespräch mitzuverfolgen. Ich meine, wer will schon siebenundvierzigmillionenmal »Ich liebe dich« hören. Irgendwann muss ihnen doch selbst schlecht davon werden. Aber so weit wird es wohl nie kommen.
Mom wollte mich nicht nach Hause bringen, als ich meine Limo getrunken hatte. Ich sagte: »Aber was ist mit Dad?«, und sie: »Alles bestens. In welchen Laden willst du als Erstes gehen?«
Wir gingen also shoppen. Was sollte ich auch anderes machen? Wir klapperten einen Laden nach dem anderen ab. Mom schaute alles durch, während ich dastand und mit meiner Atemnot kämpfte. Pausenlos hielt sie mir irgendwelche Röcke und T-Shirts hin, alles Sachen wie … wie Julia und ich sie immer getragen hatten.
Einmal sagte sie sogar: »Wenn ich deine Figur hätte …«, und ich starrte sie an, bis sie sagte: »Oh, Amy, jetzt versteh ich. Du bist immer mit Julia hierhergekommen, stimmt’s?«, und meine Hand drückte.
Früher habe ich davon geträumt, mit ihr herumzuziehen – shoppen gehen und andere Mutter-Tochter-Sachen machen, über die man spätestens in der Mittelstufe hinaus ist. Aber so hatte ich es nie gewollt.
Auf dem Heimweg fing Mom von Verhütung an und ihre Frage klang so beiläufig, dass sie es garantiert hundertmal geübt hatte. Ich sagte ihr, dass es da nichts zu erzählen gab.
»Das kann ich mir nicht vorstellen«, sagte sie, und da tischte ich ihr eine Story auf, dass ich alles darüber wüsste und supervorsichtig sei, seit ich mit vierzehn einen Schwangerschaftstest machen musste. Ich weiß, das war nicht okay, aber ich wollte nicht mit Mom über Sex reden und ich wusste, dass ich ihr damit den Mund stopfen konnte.
Mom verstummte tatsächlich und ich dachte an den Tag, als Julia mir sagte, dass sie einen Schwangerschaftstest kaufen müsse. Sie weinte, dann wischte sie sich die Tränen ab und lächelte mich an. »Es wird schon gut gehen«, sagte sie.
Eigentlich hätte
ich
das zu ihr sagen müssen. Hätte irgendwas sagen müssen. Oder tun. Stattdessen saß ich einfach nur da.
Ich sah mich in Julias Badezimmer sitzen und ihre Hand halten, während wir auf das Ergebnis warteten. Julia wirbelte herum, als der Stick anzeigte, dass alles in Ordnung war, drehte sich übermütig im Kreis, immer und immer wieder, ein strahlendes Lächeln im Gesicht. Am Abend gingen wir auf eine Party und sie war so zugedröhnt, dass sie in eine Badewanne fiel und sich die Lippe verletzte. Ich wollte das Blut abwischen, mit dem Erfolg, dass am Ende das ganze T-Shirt verschmiert war.
Julia weinte und wir taten beide so, als ob wir es nicht merkten.
Während Mom und ich stumm nach Hause fuhren, dachte ich an die Begegnung im Einkaufszentrum, die ich vorhin gehabt hatte.
Ich hatte Kevin dort gesehen. Ich war hinter Mom von Laden zu Laden getrottet und plötzlich stand er da, lungerte mit seinem Arschloch von Kumpel herum. Als er mich sah, funkelte er mich an, als ob er wer weiß wie leiden würde. Kann ja sein, dass er Julia vermisst, aber was soll ich dann erst sagen?
Ich ignorierte ihn und beobachtete Mom, die einen Stapel T-Shirts durchschaute, die sie mir dann doch nicht kaufen durfte.
Ich wollte mir nicht eingestehen, dass mir gerade das Herz brach.
80 Tage
Julia,
Dad und ich waren heute Nachmittag in einem von diesen großen Schreibwaren- und Büromaterial-Discountern. Ich hab jetzt mehr Hefte, Notizbücher und Stifte, als ich in meinem ganzen Leben verbrauchen kann. Auf der Shoppingtour mit Mom war nicht viel Gelegenheit zum Reden, weil ich ja dauernd irgendwas anprobieren und ihr sagen musste, dass ich es nicht wollte. Mit Dad gab es viel mehr Schweigen zu überbrücken – was soll man auch groß über
Weitere Kostenlose Bücher