Lovers (German Edition)
Deadlines arbeitet und auf Kommando kreativ sein muss. Das war noch einfacher, als ich nur für mich geschrieben habe. Bevor ich meinen ersten Buchvertrag unterschrieben habe.”
“War es das? Willst du behaupten, damals nicht so neurotisch gewesen zu sein?”
“Hey! Ich habe nicht behauptet, ich wäre neurotisch.”
“Nur … verrückt?”
Ich lächle ihn an. Mir macht es nichts aus, wenn er mich aufzieht. Und die Wahrheit ist, dass ich manchmal wirklich glaube, neurotisch und verrückt zu sein. Darum ja auch die Therapie. Aber für mich scheint das auch zum kreativen Prozess zu gehören.
“Findest du, das ist nicht gesund?”, frage ich. “Dass wir von unseren Neurosen und unserer Verrücktheit dazu getrieben werden, etwas zu kreieren?”
Er zuckt die Schultern, und ich sehe seine Muskeln unter der gebräunten Haut arbeiten. “Ich weiß nicht, ob das eine Frage von gesund oder ungesund ist. Es ist, wie es ist.”
“So scheinst du an viele Bereiche deines Lebens heranzugehen.”
“Kann schon sein. Man kommt damit auf jeden Fall leichter durchs Leben.”
“Wieso muss man es sich aber im Leben immer so einfach machen?” Ich kenne meine eigene Antwort auf diese Frage, aber mich interessiert seine Ansicht.
Er schweigt diesmal ziemlich lange. Dann sagt er: “Manchmal ist das Leben einfach schwer. Und wenn man sich davon runterziehen lässt, knüppelt es einen nieder, bis man am Boden liegt.”
Das erstaunt mich. Ich bin nicht sicher, was er damit meint. Wenn er sich überhaupt auf etwas Bestimmtes bezieht, auch wenn ich das Gefühl habe, dass da schon etwas ist. Aber vor allem bin ich erstaunt, weil in dieser kurzen Bemerkung eine so schonungslose Ehrlichkeit aufblitzt.
Ich lege die Hand auf seinen Arm, und er zuckt leicht zusammen. Sofort wendet er sich mir zu und lächelt, weshalb ich es ihm nicht übel nehme, dass er zurückgezuckt ist. Aber seine Augen wirken distanziert und irgendwie leer.
“Jack? Willst du mir erzählen, was du damit meinst?”
“Eigentlich nicht.”
“Okay.”
“Okay.” Er schaut wieder aufs Wasser, dann legt er sich rücklings in den Sand. Sein Blick geht in das unendliche Blau des Himmels, und er kneift die Augen im grellen Sonnenlicht zusammen. “Es ist in meinem letzten Jahr am College passiert.”
“Was?”
Ich weiß nicht, was er jetzt sagen will, aber ich spüre, es ist wichtig.
“Da habe ich begriffen, was für ein Arschloch ich bisher gewesen bin.”
“Jack …”
“Nein, es stimmt. Und damals stimmte es noch mehr als heute. Der Apfel fällt nicht weit vom Stamm, sagt man nicht so? Das stimmt nämlich auch, weißt du.”
Ich schüttle den Kopf. “Nein, ich weiß nichts von alledem. Ich finde, jeder Einzelne ist dafür verantwortlich, wer oder was er ist und was aus ihm wird.”
“Ich übernehme die Verantwortung für das, was ich bin. Ich erkläre nur, wann ich damit angefangen habe.”
“Dann war dein Vater wohl kein besonders netter Mensch?”
“Er war ein Albtraum.”
“Das tut mir leid.” Ich weiß nicht, was ich sonst sagen soll.
“Ach, na ja …” Er verstummt, und eine Weile sitzen wir einfach schweigend nebeneinander.
Die Sonne brennt auf meiner Haut, aber das macht mir nichts aus. Ich wende mein Gesicht den goldenen Strahlen zu, schließe die Augen, atme tief den Ozean ein und tanke Jacks Nähe.
“Komm her”, sagt er plötzlich. Er zieht mich neben sich in den Sand. Wir liegen nebeneinander.
So blicke ich in den Himmel, der sich wie eine unendliche, blaue Kuppel über unsere Köpfe spannt, nur gelegentlich durchbrochen von den dahinsegelnden Möwen. Der Sand ist heiß. Er ist zugleich weich und hart unter meinem Rücken, und ich spüre jeden einzelnen Wirbel, der sich in den Boden drückt. Ich weiß nicht, was ich sagen soll, daher bleibe ich stumm und hoffe einfach, dass Jack sich mir irgendwann etwas mehr öffnen wird. Nach einigen Minuten, in denen ich einfach meinem hämmernden Herz lausche, das ich bis in die Ohren spüre, fängt er an zu sprechen.
“Mein Vater hat meine Mutter betrogen. Die ganze Zeit. Das war sein Muster. Er … tat es einfach. Und als ich Teenager war – und damit meine ich, gerade erst, mit dreizehn, vierzehn Jahren – setzte er sich eines Abends mit mir zusammen, nachdem meine Mom schon ins Bett gegangen war. Und er erzählte mir … alles. Zu viel. Ich wusste nicht, wie ich ihn daran hindern sollte. Und wenn ich ehrlich bin, wollte das ein Teil von mir auch gar nicht. Ich war richtig
Weitere Kostenlose Bücher