Lovers (German Edition)
angepisst, dass er meiner Mutter das alles antat. Aber zugleich schien das, was er da machte, irgendwie glamourös zu sein. Er schaffte es sogar, dass ich ihn auf eine verdrehte Art dafür bewunderte.”
“Du warst ein Teenager. Ein Kind.”
“Stimmt. Aber selbst ein Kind sollte doch gewisse Moralvorstellungen haben.”
“Das muss ja nicht heißen, dass du keine hattest.”
“Kann sein.” Er hat die Brauen zusammengezogen und starrt finster nach oben.
“Aber du warst auch wütend auf ihn.”
“Nicht wütend genug, um irgendwas zu unternehmen.”
“Er war dein Vater. Was hättest du denn tun können?”
Mein Magen beginnt, sich schmerzlich zu verdrehen. Ich höre den Schmerz in seiner Stimme. Ich drehe aber nicht den Kopf, um ihn anzusehen. Ich glaube, das will er in diesem Moment nicht.
“Das entschuldigt aber nichts von dem, was passiert ist. Und es entschuldigt nicht, was ich später getan habe.” Ich schweige und warte. Schließlich atmet er tief durch. “Ich weiß nicht mal, warum ich dir das erzähle.”
“Das weiß ich auch nicht. Aber ist schon in Ordnung.”
Er ist wieder still, und ich konzentriere mich auf die flirrende Hitze über dem Sand. Es sieht aus wie Wasser. Eine Möwe segelt über unsere Köpfe hinweg, dicht gefolgt von einer zweiten. Ich beobachte, wie sie eine Luftströmung einfangen und sich gemeinsam in die Höhe schrauben, bis sie nur noch dunkle Silhouetten im Gegenlicht sind, winzige Punkte vor der Sonne.
“Dann …”, sagt er leise. “Dann bin ich wie er geworden. Ich habe jede meiner Freundinnen an der Highschool betrogen. Die Freundinnen am College auch. Ich wusste nicht mal, warum ich das machte, aber ich spürte den Drang , es zu tun. Und ich habe mir nichts dabei gedacht. Ich war so verdammt lässig, verstehst du? Ich habe nicht einen Moment lang über die Konsequenzen nachgedacht. Aber das war nur der Anfang meines Daseins als Arschloch.” Er atmet noch mal tief durch. “In meinem zweiten Jahr begegnete ich einem Mädchen namens Sheri.”
Er schweigt wieder, und dieses Mal wende ich mich ihm zu. Ich schwöre, seine Stimme hat gestockt, und ich habe große Angst um ihn. Ich weiß, was er jetzt sagt, wird schlimm. Er wird mich dabei nicht ansehen. Er starrt einfach weiter in den Himmel, aber ich weiß, dass er ihn gar nicht richtig sieht.
“Was ist passiert, Jack?”, frage ich und versuche, leise zu sprechen. Ich will ihn nicht aufschrecken, und fürchte es zugleich.
“Na ja, ich habe sie natürlich auch betrogen.”
“Und?”
“Und sie hat versucht, sich umzubringen.”
Er sagt das so sachlich, doch seine Stimme klingt tot. Ausgelaugt. Mir stockt der Atem.
“Um Himmels willen, Jack.”
“Ja.” Er fährt mit einer Hand durch seine Haare und lässt die Hand auf der Stirn ruhen. “Erst da habe ich gesehen, was ich wirklich bin. Was mein Dad einst wirklich gewesen ist. Dass er eben nicht so ein cooler Typ war, der immer davongekommen ist. Das war nämlich meine komplett kindliche Ansicht darüber, was er war und was er tat. Das habe ich mir immer eingeredet. Schließlich habe ich gesehen, dass wir beide eigensüchtige Arschlöcher waren. Dass wir anderen Menschen wehtaten. Und ich konnte das keinen Augenblick länger ertragen.”
“Aber du hast daraus gelernt.”
“Ja. Ich habe gelernt, dass ich das niemals wieder einem anderen Menschen antun will.”
“Und wieso kannst du dir selbst dann nicht endlich vergeben?”
Sobald die Worte meinen Mund verlassen haben, klappe ich ihn so schnell zu, dass meine Zähne aufeinanderklacken. Das geht mich ja wirklich absolut nichts an.
“Das habe ich. Soweit es mir möglich war.”
“Tut mir leid, Jack. Ich hätte das nicht sagen dürfen.”
“Nein, ist schon in Ordnung. Wirklich.”
Aber er vergräbt die Finger in den Haaren.
“Und dein Vater?”
“Ist ein paar Jahre später bei einem Autounfall gestorben.”
“Oh Jack …”
“Lass das. Okay?”
Er klingt nicht grob, sondern eher flehend. Ich fühle mich schrecklich.
“Sorry. Tut mir leid. Ich halt schon den Mund.”
“Verdammt, Bettina, so habe ich das nicht gemeint. Ich will nur … Ich verhalte mich schon wieder wie ein Arschloch.”
“Nein, das tust du nicht. Hörst du, Jack?”
Er starrt mich an. Beobachtet mich. Hundert Schatten huschen über seine Miene. Schließlich sagt er: “Du bist ein guter Mensch, Bettina.”
“Oh, so toll bin ich nun auch wieder nicht.”
“Warum machst du das immer?”
“Was
Weitere Kostenlose Bücher