Lovesong
Normalerweise gibt Aldous mir keine detaillierten Infos über meine Interviewer. Es sei denn, er hat einen guten Grund dafür.
»Äh, bin mir nicht ganz sicher. Ich glaub, das war Gabber.«
»Oh, Al, das ist doch diese unsäglich beschissene Seite für billigen Klatsch und Tratsch.«
»Aber Shuffle ist keine billige Klatschseite. Und wir reden hier von einer Exklusivstory auf der Startseite.«
»Na gut. Meinetwegen«, sage ich und marschiere durch die Tür ins Restaurant. Die Inneneinrichtung besteht aus niedrigen Edelstahl-Glastischen und Ledersofas, genau wie in den unzähligen anderen Läden, in denen ich so verkehre. Diese Restaurants präsentieren sich alle mit einem ungeheuren Anspruch, aber im Grunde genommen sind sie nichts weiter als vollkommen überteuerte und überstylte Versionen der McDonald’s-Läden.
»Da hinten sitzt sie, an dem Ecktisch, die Blonde mit den Strähnen«, raunt Aldous mir ins Ohr. »Sie ist echt ganz niedlich. Nicht dass es dir an niedlichen Mädchen mangeln würde. Verdammt, sag Bryn bloß nicht, dass ich das gesagt habe. Okay, vergiss es. Ich warte hier an der Bar.«
Aldous will während des Interviews in meiner Nähe bleiben? Normalerweise ist das ja tatsächlich der Job eines PR -Managers, aber ich habe mich bisher immer strikt geweigert, mich von ihm überwachen zu lassen. Ich muss echt den Eindruck erwecken, als sei ich irgendwie aus dem Lot. »Willst du babysitten, oder was?«, erkundige ich mich.
»Nö. Ich dachte nur, du könntest vielleicht Beistand brauchen.«
Vanessa LeGrande ist tatsächlich ganz süß. Hm, wahrscheinlich wäre der Ausdruck scharf passender. Aber ist ja auch egal. So wie sie sich über die Lippen leckt und ihr Haar zurückwirft, ist mir sofort klar, dass ihr das auch durchaus bewusst ist. Und irgendwie ruiniert das alles. Eine Schlangentätowierung windet sich um ihr Handgelenk, und ich würde unser erstes Platinalbum darauf verwetten, dass sie auch eins von diesen Arschgeweihen trägt. Und tatsächlich, als sie in ihrer Tasche nach dem digitalen Aufnahmegerät sucht, lugt hinten aus dem Bund ihrer tiefsitzenden Jeans ein kleiner tätowierter Pfeil, der nach unten zeigt. Echt klasse.
»Hey, Adam.« Vanessa sieht mich verschwörerisch an, so als wären wir alte Kumpel. »Ich muss gestehen, dass ich ein Riesenfan von dir bin. Dank Collateral Damage hab ich eine schreckliche Trennung während meines Abschlussjahrs am College überlebt. Vielen Dank dafür.« Sie lächelt mich an.
»Äh, ja, gern geschehen.«
»Und nun möchte ich dir im Gegenzug etwas Gutes tun, indem ich das ultimativste Porträt aller Zeiten über Shooting Star schreibe. Am besten also gleich Butter bei die Fische. Können wir loslegen?«
Butter bei die Fische? Verstehen die Leute eigentlich selbst noch den Müll, den sie den ganzen Tag so verzapfen? Vanessa mag sich ja alle Mühe geben, möglichst cool und frech rüberzukommen; vielleicht hat sie ja vor, mich mit ihrer offenen, ungezwungenen Art für sich zu gewinnen. Womöglich will sie mir aber auch beweisen, dass sie ein ganz normaler Mensch ist. Aber was immer sie auch plant, mich kriegt sie damit nicht. Deshalb antworte ich auch nur mit einem knappen »Klar«.
Sie blättert durch die Seiten eines Moleskine-Notizbuches. »Ich weiß, dass wir eigentlich über BloodSuckerSunshine reden sollten …«, setzt sie an.
Bei diesen Worten runzle ich unwillkürlich die Stirn. Denn genau darum geht es doch, genau darüber wollen wir hier sprechen. Deshalb bin ich ja hier. Nicht, um mich mit ihr anzufreunden. Nicht, um ihr meine intimsten Geheimnisse zu verraten. Nein, es ist Teil meines Jobs, die Alben von Shooting Star zu promoten, sonst nichts.
Vanessa legt nun richtig los. »Bei mir läuft das Album seit Wochen auf Repeat, und das, obwohl ich einen sehr eigenwilligen Musikgeschmack habe und nur schwer zu begeistern bin.« Sie lacht. In der Ferne höre ich, wie Aldous sich räuspert. Ich werfe ihm einen Blick zu. Er trägt ein breites, aufgesetztes Grinsen im Gesicht und reckt mir den Daumen hoch entgegen. Er wirkt einfach lächerlich. Ich wende mich wieder Vanessa zu und zwinge mich, ihr Lächeln zu erwidern. »Aber jetzt, nachdem euer zweites Album auf einem Major Label raus ist und ihr definitiv einen härteren Sound entwickelt habt – darin sind wir uns wohl einig –, möchte ich gern einen Rückblick wagen. Ich möchte eure Entwicklung von der Emocore-Band hin zu den Helden des Agit-Rock, die ihr jetzt seid,
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