Lucie und der erste Schultag
nicht vorbei, das weiß sie. Aber das ist ihr egal. »Geh weg « , zischt sie. »Ich will hier durch! « Aber der große Alexander steht ihr immer noch im Weg.
»Lass mich vorbei « , zischt Lucie. »Sofort! « , und sie geht auf den großen Alexander zu.
»Oh, da kriege ich ja Angst! « , kreischt er gespielt entsetzt, geht aber kein Stück zur Seite.
Aber da hat er nicht mit Lucie gerechnet, die so furchtbar enttäuscht-wütend-traurig ist, dass in ihr gar nicht mehr genug Platz für alle diese Gefühle ist. Etwas in ihr explodiert, sie stürmt auf den großen Alexander zu wie ein ICE und schubst ihn zur Seite.
Damit hat der große Alexander nicht gerechnet, er taumelt und fällt hin. Mitten auf seinen Ellenbogen. Autsch, das tut echt weh. So weh, dass die Tränen ganz von selbst in die Augen kommen.
Lucie beugt sich zu dem großen Alexander und brüllt: »Merk dir eines, ich gehe, wohin ich will! « Und dann geht sie nach Hause. Ohne sich noch einmal umzudrehen.
Ihre Wut ist weg, aber die Traurigkeit in Lucie ist so groß wie ein Ozean. Und sie schwappt über. Lucie weint und weint. Emil ist nicht mehr ihr bester Freund.
Zu Besuch in der Schule
Lucie redet nicht mit Emil und Emil redet nicht mit Lucie. So geht das schon zwei Tage lang. Am dritten Tag ruft Kathi, ihre Erzieherin: »Heute besuchen sechs Vorschulkinder ihre neue Schule. « Lucie ist dabei und Emil auch. Natürlich müssen sie in Zweierreihen zur Schule gehen, aber Lucie geht nicht mit Emil, sondern mit Okan!
Als sie an der Schule ankommen, schaut Lucie hoch. Die ist ja riesig! »Viiiiiiiiiiel größer als unser Kindergarten « , murmelt Okan und hält Lucies Hand ganz fest. In Lucies Bauch kribbelt es so seltsam, aber sie holt tief Luft und sagt: »Okan, das muss so sein, die Schule ist ja für große Kinder! «
Entlang der Schulhofmauer gibt es viele Büsche und Hecken, wo die Schulkinder bestimmt Verstecken spielen. Lucie entdeckt eine Stange. Sie hat gehört, dass man daran einen Überschlag machen kann. Die großen Mädchen im Blumenviertel nennen das die »Todesrolle«. Lu cie w eiß nicht, wann sie sich das traut! In einer Ecke entdeckt sie kleine Häuschen, so richtig mit Fenstern und Tischen. »Guck mal, darin könnte man toll Geschäft spielen « , ruft Lucie begeistert. Aber Okan hat nur Augen für d as Fußballfeld. »H ammer, das sind Jugendtore! «
Plötzlich heult eine Sirene. Lucie und Okan sehen sich entsetzt um. Ob es hier irgendwo brennt? Doch Kathi sagt, dass das die Schulklingel ist, die läutet, wenn eine Schulstunde anfängt oder aufhört.
»Jetzt müssen wir uns beeilen! « , ruft ihre Erzieherin und hält die große Schultür auf. Sechs Vorschulkinder huschen hinein. Ihre Schritte hallen durch die langen Gänge. Lucie schnuppert. Es riecht nach Büchern, Kreide und Turnschuhen. Viele Türen gehen von dem Gang ab, dahinter sind die Klassenzimmer, sagt Kathi.
Überall hängen viele bunte Bilder, Jacken und Turnbeutel an Garderoben. »Fast wie bei uns im Kindergarten « , sagt Lucie, als Kathi vor einer Tür stehen bleibt.
Ihre Erzieherin legt den Finger auf die Lippen. Es wird mucksmäuschenstill. »Das ist das Klassenzimmer der 2A. Die Schulkinder wissen schon, dass wir kommen, und freuen sich auf euch. « Sie öffnet die Tür zum Klassenzimmer.
Lucie sieht zuerst die große grüne Tafel. Ob sie da später mal mit Kreide darauf schreiben darf? Das muss ja richtig viel Spaß machen.
Der Lehrer sieht nett aus. Er sagt ihnen, wo sie sich hinsetzen sollen, und dann begrüßen alle Schulkinder im Chor die Vorschulkinder. »Guuuu-ten Moooorgen, Vor-schul-kinder « , rufen sie.
Dann darf Okan nach vorne kommen und an jedes Vorschulkind ein Aufgabenblatt verteilen. Lucie legt sofort los und malt eine Schultüte aus, so schön bunt, wie sie nur kann. Zuletzt schreibt sie ihren Namen – ganz ordentlich – darunter. Sie schaut zu Emil herüber. Ob er das mit dem Malen gut schafft?
Aber heute hält Emil den Stift nicht wie eine Klobürste, sondern so, wie sie es im Kindergarten gelernt haben. Der Lehrer findet alle Bilder schön und dann darf jedes Vorschulkind sich kurz vorstellen.
Okan verrät, dass er Fußball spielt und Profi werden will, wenn er groß ist.
Emil erzählt, dass er eine Schildkröte hat, die Muffin heißt, und dass seine beste Freundin gleich nebenan wohnt. Dabei sieht er Lucie nicht an.
Als Lucie ihren Namen nennt, wird in der Klasse gewispert und geflüstert. Ob sie etwas Falsches gesagt hat?
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