Lucifers Lady
Achterdeck, den Rücken gegen die Regentonne gelehnt, die Beine vor sich aus-
gestreckt. Er zog sein Hemd aus, es dürstete ihn nach der Sonnenwärme.
Er starrte hinaus auf das endlose Meer. Einst, es war noch nicht lange her, hatte er das Meer gehasst. Es war ein Gefängnis gewesen, dem er nicht entkommen konnte. Flucht war unmöglich, das Leben unerträglich.
Jetzt, nach Jahren des Kampfes, bedeutete das endlose Mee| Freiheit. Er konnte immerzu segeln, ohne sich gefangen zu fühl len. Er musste nur noch eine Kette ablegen, dann würde er frei sein, endlich frei.
Lucian fuhr sich mit den Händen durch das dunkle Haar. Dann schloss er die Augen und gab sich seinen Gedanken hin
Abelard. Irgendwie musste er Abelard vernichten. Er konnte nicht zulassen, dass Catherine seinen Plan zerstörte. Wenn es sein musste, würde er auch sie vernichten. Sie war nicht an ders als ihr Vater. Wo ihr Vater seine Schiffe benutzte, um zu bekommen, was er wollte, benutzte sie ihren Körper. Sie war nicht unschuldig, und es war besser, wenn er das niemals vergaß, sonst würde er sich von ihrer süßen Stimme und ihren verführerischen Körper betören lassen.
Lucian dachte weiter darüber nach. Sein ursprünglicher Plan funktionierte nicht, daher musste er eine Alternative suchen. Eine Möwe schrie und stieß ein paar Mal hinunter auf die Wasseroberfläche, ehe sie ihre Beute erwischte.
Lucian sah dem Vogel zu und belächelte seinen Erfolg. „Von innen“, flüsterte er. „Aus dem Inneren des eigenen Hauses, Abelard. Und Catherine, die süße Stieftochter, soll die Schachfigur sein, mit der ich dich matt setze.“
Er stand auf, streckte sich, bewegte behutsam seine Schultermuskeln. Er fühlte sich besser, ein gefasster Entschluss heiterte ihn immer auf. Es hatte seine Pläne gehindert, Catherines, lüsterne Natur zu entdecken, aber wenn er sie auf die eine Weise nicht brauchen konnte, dann auf die andere.
Catherine liebte ihren Vater und glaubte an seine Unschuld. Was würde sie tun, wenn sie die Wahrheit herausfand? Was würde sie tun, wenn er ihr die Papiere zeigte, die bewiesen, dass Abelard ihn verkauft hatte? Sie würde sich gegen ihn wenden, die Stieftochter, die er über alle Maßen liebte, würde ihn im Stich lassen. Sie würde nicht zu ihm zurückkehren. Er würde leiden. Dann würde er, Lucian, sich Abelards Geschäften widmen und ihn vernichten, bis ihm nichts mehr blieb.
Ein Lächeln, so böse wie das des Teufels persönlich, erschien auf seinem Gesicht, als er zu seiner Kabine eilte.
Catherine saß mit gekreuzten Beinen mitten auf dem Bett und biss in eine Dattel, die sie mit der einen Hand hielt, während sie mit der anderen ein Buch voller Karten durchblätterte. Die Karten erschienen ihr ungewöhnlich, mit seltsamen Zeichen und in verschiedenen Sprachen verfasst. Sie konnte Spanisch und verstand zumindest einen Teil davon.
Vor ein paar Stunden hatte sie beschlossen, sich die Zeit damit zu vertreiben, nach den Unterlagen zu suchen, die die Unschuld ihres Vaters bewiesen, statt zu zittern wie ein verängstigtes Kind. Die Karten hatten auf Lucians Schreibtisch gelegen, und in der Hoffnung, dass sie nützliche Informationen beinhalteten, hatte sie sie aufgenommen, um sie gründlich durchzusehen.
Sie biss noch einmal von der Dattel ab und fuhr fort, die spanische Karte zu betrachten, als die Tür geöffnet wurde. Sie blieb sitzen, vorgebeugt, zeichnete mit dem Finger die Linien nach, und ihr Herz klopfte wie rasend, als Lucian hereinkam.
„Vergnügen Sie sich mit Zeichnungen?“ fragte er und blieb am Fußende des Bettes stehen.
Sie hob den Kopf, lächelte und schob sich den letzten Bissen in den Mund, ehe sie nickte.
„Wenn es Ihnen Spaß macht, dann sehen Sie sich so viele an, wie Sie wollen. Es gibt eine ganze Kiste davon“, sagte er und deutete auf eine mittelgroße Messingkiste neben dem Schreibtisch. „Ich lasse Sie dann unverschlossen.“
Sie lächelte wie ein Kind, das ein Geschenk bekommen hatte. "Danke. Ich liebe es, den Linien mit meinem Finger zu folgen und zu sehen, wohin sie mich führen.“
„Wohin sie Sie führen?“
„Natürlich“, sagte sie heiter. „Manchmal führen sie mich zu anderen Linien und dann wieder zu anderen, während manche abrupt enden.“
Lucian schüttelte den Kopf. „Wenn Sie gern Linien mit dem Finger nachfahren, dann spricht nichts dagegen, dass Sie meine Karten benutzen. Aber passen Sie auf mit dem, was Sie dabei essen. Ich möchte nicht, dass meine Karten
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