Lucy kriegt's gebacken
Das ist echt witzig.“
Beim Cocktailempfang hat Stevie zu „You Should Be Dancing“ aus „Saturday Night Fever“ eine ganz gute Imitation von John Travolta abgegeben. Jedenfalls bis er aus Versehen einem Ober ein Tablett voller Champagner aus der Hand geschlagen hat.
„Oops.“ Matt lacht. Er beginnt, mit meinem Haar zu spielen, die Augen auf den Fernseher gerichtet.
Da sind Anne und Laura, sie küssen mich und tätscheln Jimmys Wange. Iris, Rose und Mom … Gianni und Marie. Mein Schwiegervater stolz und attraktiv, mit vollerem Haar und schlanker als heute. Marie hat monatelang Diät gehalten, um in ihr Kleid zu passen, ein blassgrüner Albtraum aus Chiffon.
Matt streichelt meinen Nacken. Es fühlt sich … okay an. Nett, schätze ich. Ich versuche, mich nicht zu verkrampfen. Auf dem Bildschirm läuft gerade eine meiner Lieblingsszenen. Ethans Rede.
„Ein echt gut aussehender Typ“, meint Matt.
„Ethan?“, frage ich, ohne vom Bildschirm wegzusehen.
„Ich meine Jimmy.“
„Richtig. Das war er.“ Der DJ klopft jetzt ans Mikrofon. „Meine Damen und Herren“, sagt er. „Wenn ich Ihre Aufmerksamkeit haben dürfte. Der Bruder des Bräutigams, Ethan Mirabelli, möchte ein paar Worte sagen.“
Mein Magen schlägt einen Purzelbaum, und ich beuge mich etwas vor.
„Bist du okay?“, fragt Matt.
„Ja, klar.“
Ethan ergreift das Mikrofon. „Ich bin etwas nervös“, sagt er kleinlaut. „Ich möchte das hier wirklich nicht vermasseln, weil Jimmy gesagt hat, wenn ich mich richtig anstrenge, darf ich auch bei seiner nächsten Hochzeit Trauzeuge sein.“ Die Kamera schwenkt auf die lachende Gästeschar, ich schlage Jimmy auf die Schulter, Jimmy grinst. „Im Ernst, ich habe immer zu meinem großen Bruder aufgesehen - meistens, weil er mich irgendwo gegen eine Wand gedrückt hat …“
Wir waren begeistert. Ethan war an diesem Tag einfach perfekt, lustig und boshaft. „Jimmy, du hast wirklich, wirklich Glück. Du hast eine Frau an deiner Seite, die umwerfend und witzig ist, die egal wo Wärme und Liebe ausstrahlt. Und, Lucy, du hast einen … Nun, zumindest kannst du das schöne Kleid behalten.“
„Witzig“, murmelt Matt. Ich höre ihn kaum.
Ich habe diesen Film Hunderte Male gesehen. Und immer habe ich dabei Jimmys schönes Gesicht angestarrt, die Liebe, die er an diesem glücklichen, glücklichen Tag so offensichtlich für mich empfunden hat.
Doch heute, zum allerersten Mal, beobachte ich Ethan und nicht Jimmy. Starre Ethan an. Zweiundzwanzig Jahre alt. Ein vollendeter Trauzeuge, charmant, humorvoll, freundlich. Er beschreibt, wie Jimmy immer einen Fisch gefangen und dann Ethan die Angel gegeben hat, damit er ihn hereinziehen konnte. Wie Jimmy ihm Hamburger gebraten hat, wenn seine Eltern nicht da waren. Marie betrachtet Hamburger als Schweinefraß. Und dann erzählt er, wie Jimmy und ich uns kennengelernt haben.
„Ich war dabei, als die beiden sich zum ersten Mal sahen.“ Er dreht sich zu Jimmy und mir. Unsere Gesichter sind nicht zu sehen, weil die Kamera auf Ethan gerichtet bleibt, aber wir sind aneinandergeschmiegt, genießen jedes einzelne Wort. „Ein Blick reichte, und das war‘s“, sagt Ethan sanft. „Sie haben sich ineinander verliebt, sie blieben verliebt, und heute haben sie sich versprochen, sich bis ans Lebensende zu lieben.“
Die Gäste seufzen hörbar auf.
„Meine Damen und Herren, Mädchen und Jungen, bitte erhebt eure Gläser. Ewige Liebe, gesunde Kinder, ein langes und glückliches gemeinsames Leben. Auf Lucy und Jimmy.“
„Auf Lucy und Jimmy“, wiederholt die Menge.
„Süß“, sagt Matt.
Aber ich bin wie erstarrt. Nicht in der Lage, zu atmen oder zu sprechen. Denn da ist es.
Als Ethan endet, schwenkt die Kamera zu Jimmy und mir - wir küssen uns, und dann steht Jimmy auf und umarmt Ethan, der ihm grinsend auf den Rücken schlägt.
Hastig greife ich nach der Fernbedienung und spule zurück.
„Was ist denn los?“, fragt Matt.
„Pst!“ Ich spule zu weit zurück, dann wieder vor. Da. Da ist es wieder. Jimmy und ich küssen uns …
Ich spule wieder zurück, diesmal langsamer, und sehe es mir erneut an.
Ethan, der eine schöne, witzige, berührende Rede gehalten hat, erhebt sein Glas, um uns zuzuprosten. Und für eine Sekunde, kurz bevor die Kamera auf uns schwenkt, sehe ich es.
Sein Job war erledigt. Er hatte den Toast ausgesprochen, und alle Aufmerksamkeit war wieder auf mich und Jimmy gerichtet. Für eine Sekunde lässt er die Maske fallen, und da
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