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Lucy Sullivan wird heiraten

Lucy Sullivan wird heiraten

Titel: Lucy Sullivan wird heiraten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marian Keyes
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schließlich nicht erwarten, daß sie uns und unsere Liebsten aus lauter Herzensgüte mit durchfüttert.« In ihrer Stimme lag ein munterer Klang, und der Blick, den sie mir zuwarf, ließ sich als »Wir wollen das Positive sehen« deuten. Wie recht sie hatte!
    »Dann wäre das also erledigt«, sagte Karen entschlossen. »Wenn es euch nichts ausmacht, hätt’ ich es gern gleich.« Eine unangenehme Pause trat ein.
    »Jetzt«, wiederholte sie.
    Halbherzig kramten wir unsere Geldbörsen heraus, wobei wir klägliche Entschuldigungen von uns gaben.
    »Ich glaube, ich hab gerade nicht so viel.«
    »Kann ich dir ’nen Scheck geben?«
    »Geht es auch morgen abend?«
    »Ehrlich, Karen«, sagte ich. »Wie kannst du annehmen, daß wir am Sonntagabend noch Geld haben? Noch dazu nach einem solchen Wochenende?«
    Sie sagte etwas über kluge und törichte Jungfrauen, was mich wirklich ärgerte, und ich erwiderte, daß es meines Wissens in unserer Wohnung keinerlei Jungfrauen gebe, weder kluge noch törichte, so daß mir nicht klar sei, wovon sie rede.
    Wir alle lachten, und die Spannung löste sich vorübergehend, bis Karen erneut anfing.
    »Ich brauch das Geld jetzt gleich«, erklärte sie uns kategorisch.
    »Wozu?« fragte ich unüberlegterweise. »Ich wußte gar nicht, daß man Sonntagabends um halb elf im Supermarkt noch was kriegt.«
    »Gib dir keine Mühe, geistreich zu sein, Lucy«, sagte sie vernichtend. »Du bist es nicht.«
    »Wollte ich eigentlich nicht«, stotterte ich. »Ich hab mich wirklich gefragt, warum du es jetzt gleich brauchst. Noch heute. Sonntagabend spät.«
    »Nicht für heute, Dummkopf, sondern für morgen. Ich will auf dem Rückweg von der Arbeit einkaufen und muß das Geld deshalb sofort haben.«
    »Ach so.«
    »Wir gehen jetzt einfach alle zusammen zum Geldautomaten«, sagte sie mit einer Stimme, die keinen Widerspruch duldete.
    Charlotte bemühte sich tapfer zu widersprechen: »Es regnet, es ist Sonntagabend, ich bin schon im Nachthemd...« Es nützte ihr nichts. Der Versuch war von vornherein zum Scheitern verurteilt.
    »Du brauchst dich nicht extra anzuziehen«, sagte Karen verdächtig freundlich.
    »Danke«, seufzte Charlotte.
    »Zieh einfach ’nen Mantel über«, fuhr Karen fort. »Dazu Leggings und Stiefel, und die Sache ist geritzt. Im Dunkeln sieht das kein Schwein.«
    »Na schön«, sagte Charlotte geknickt.
    »Und es ist auch gar nicht nötig, daß ihr beide geht«, fuhr Karen fort. »Lucy, gib ihr deine Karte und sag ihr deine Geheimnummer.«
    »Heißt das, du gehst nicht mit?« fragte ich matt.
    »Du bist manchmal so dämlich. Warum sollte ich?«
    »Aber ich dachte...«
    »Du hast nicht gedacht, das ist dein Problem. Charlotte geht auf jeden Fall, und dann brauchst du nicht mitzugehen.«
    Ich sparte mir die Mühe, mich über sie zu ärgern. Zu den Voraussetzungen, mit Menschen auszukommen, mit denen man in einer Wohngemeinschaft lebt, gehört die Fähigkeit, von Zeit zu Zeit darüber hinwegzusehen, daß sie sich ziemlich übel aufführen, damit man es ihnen heimzahlen kann, wenn einem selbst danach ist, mal ordentlich die Sau rauszulassen.
    »Ich kann Charlotte nicht allein gehen lassen«, sagte ich.
    »Die geht auch nicht allein«, rief Charlotte aus ihrem Zimmer.
    Karen zuckte mit den Schultern. »Wenn du unbedingt so tapfer und edelmütig sein willst...«
    Ich zog mir einen Mantel über den Schlafanzug und steckte mir die Schlafanzughose in die Stiefel.
    »Mein Schirm ist in der Diele«, säuselte Karen.
    »Deinen Schirm kannst du dir sonstwo hinstecken«, sagte ich, allerdings jenseits der geschlossenen Tür, wo ich in Sicherheit war.
    Selbstverständlich gehört zu den weiteren Voraussetzungen für eine funktionierende Wohngemeinschaft die Gabe, eine Gelegenheit zum Dampfablassen beim Schopf zu fassen, sobald sie sich bietet.
    Charlotte und ich kämpften uns durch den Regen zur Bank.
    »So ein Miststück!« sagte Charlotte.
    »Ist sie nicht«, sagte ich wütend.
    »Findest du?« fragte Charlotte. Es klang überrascht.
    »Und ob! Sie ist ein verdammtes Miststück«, korrigierte ich.
    Während Charlotte durch die Pfützen stapfte, rief sie aus: »Miststück, Miststück, Miststück, Miststück, Miststück !«
    Ein Mann, der seinen Hund spazierenführte, wechselte die Straßenseite, nachdem er dieses Paar fluchender Wahnsinniger auf sich hatte zukommen sehen. Bei jedem Schritt, den Charlotte tat, schwang der Spitzenbesatz am Saum ihres Nachthemdes unter ihrem Mantel wild hin und her, und

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