Lucy Sullivan wird heiraten
wir nicht wußten, wie man diese Sachen zubereitete. Charlottes kulinarische Spezialität war Toast, während meine Spitzenleistung Nudeln mit Soße waren. Jeder Versuch mit komplizierteren Speisen hatte bisher in Tränen, Streit, Vorwürfen und Kränkungen geendet. Das Ergebnis war gewöhnlich übergekocht, außen verbrannt, innen roh, oder jemand war darauf ausgerutscht. Man kann kein Omelette machen, ohne dazu Eier zu zerbrechen und sich die Finger zu verbrennen – zumindest mir war das noch nie gelungen.
Jener Abend in der Küche ähnelte einer Szene aus Dantes Inferno, und zwar ging es um den Kreis der Hölle, in dem die armen Sünder mit Obst und Gemüse gepeinigt werden. Alle vier Herdplatten und der Backofen waren unablässig in Betrieb, es dampfte, Töpfe kochten über, die Deckel hüpften und klapperten. Überall türmten sich Weintrauben, Spargel, Blumenkohl, Kartoffeln, Karotten und Kiwis. Die Hitze hatte Charlotte und mich rot anlaufen lassen wie Tomaten. Karen war nach wie vor von vornehmer Blässe.
Nirgendwo konnte man etwas hinstellen oder -legen, denn Karen hatte uns den Küchentisch ins Wohnzimmer tragen lassen.
»Stell einfach alles da hin. Nein, doch nicht auf die Baiser-Masse!« kreischte sie, als ich den Kühlschrank ausräumen mußte, um Platz für die zwanzig oder dreißig Portionen Nachtisch zu schaffen, deren Herstellung sie von uns zu erwarten schien.
Ob Kühlschrank oder Abtropfbrett: überall lag und stand Eßbares. Über weite Strecken bedeckten Schüsseln mit eingelegtem Schweinefleisch, Gelee, das gelieren mußte und in Alufolie gewickeltes Knoblauchbrot den Fußboden. Ich wagte meinen Fuß keinen Zentimeter von der Stelle zu bewegen, weil ich fürchtete, sonst bis zu den Knöcheln in der Marinade zu stehen, die außer Olivenöl, Rotwein, Wacholderbeeren, Vanille und Kreuzkümmel auch »Karens geheime Zutat« enthielt. Soweit ich sehen konnte, bestand die aus nichts anderem als gewöhnlichem Rohrzucker. Es juckte mich in allen Fingern, ihr eine herunterzuhauen, weil sie so tat, als handele es sich dabei um so etwas wie das »dritte Geheimnis der Fatima«.
Nachdem ich vierzehn Millionen Kartoffeln und siebzehntausend Kiwis geschält hatte, würfelte ich letztere, um sie anschließend durch ein Sieb zu drücken – wozu auch immer. Ich putzte Zuckererbsen, wobei ich mir in den Daumen schnitt. Beim Transport des Küchentischs durch die Diele hatte ich mir schon die Knöchel abgeschürft, und jetzt geriet Chilipfeffer in die offene Wunde an meinem Daumen. Karen sagte, ich solle besser aufpassen, und erklärte, sie wolle kein Blut im Essen haben.
Von Zeit zu Zeit kam sie vorbei und sah uns »nur zum Spaß« auf die Finger. Obwohl ich wußte, daß es Quatsch war, machte mich das nervös. Sie kam mir vor wie ein Feldwebel, der Rekruten vor der Parade inspiziert.
»Nein, nein, nein, so schält man keine Kartoffeln«, sagte sie und schlug mir mit einem Holzlöffel auf die Finger. Es war unglaublich. »Die Schalen sind viel zu dick. Du wirfst die halbe Kartoffel mit weg, das ist Verschwendung.«
»Tu bloß den dämlichen Holzlöffel weg«, sagte ich wütend und wünschte, mein Kartoffelschäler wäre ein Springmesser. Die Diktatorin war zu weit gegangen. Der Schlag hatte weh getan.
»Oh je, sind wir heute abend aber schlecht gelaunt!« lachte sie. »Du mußt unbedingt lernen, konstruktive Kritik anzunehmen, Lucy. Mit deiner Haltung kommst du nicht weit.«
Ich kochte innerlich, aber ich gab mir Mühe, Karen zu verstehen. Sie war nach einem Mann verrückt – auch wenn es sich dabei um Daniel handelte. Ein Urteil stand mir nicht zu.
Inzwischen war sie zu Charlotte gegangen, die gerade Karotten schälte. Mit den Worten »Und was in drei Teufels Namen soll das sein?« nahm sie eine Karotte vom Stapel der fertig geschälten und hob sie hoch.
»Eine Karotte«, sagte Charlotte verdrießlich und trotzig.
»Und vermutlich hältst du die für geschält?« fragte Karen mit unangenehmer Betonung.
»Jawohl.«
»Das ist eine geschälte Karotte, behauptet sie«, sagte Karen triumphierend. »Darf ich dich fragen, Lucy Sullivan, ob dir diese Karotte geschält vorkommt?«
»Ja«, sagte ich, unerschrocken und treu zur Leidensgenossin stehend.
»O nein, das ist sie keineswegs! Sollte es sich aber doch um eine geschälte Karotte handeln, wäre sie äußerst schlecht geschält. Noch mal von vorn, Charlotte, und diesmal richtig.«
»Jetzt ist aber Schluß«, stieß ich hervor. Meine Wut hatte
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