Lucy Sullivan wird heiraten
das mußt du wissen. Es ist nicht so, wie wenn man auf ein Glas in die Eckkneipe geht.«
Als Daniel gegen acht kam, war ich noch nicht fertig. Aber wenn mich nicht Charlotte und Karen dazu gedrängt hätten, ein Bad zu nehmen und mein traumhaftes Kleid aus Goldlamé anzuziehen, wäre ich da sogar noch im Schlafanzug herumgelaufen.
Allerdings war ich ihnen dafür keineswegs dankbar, sondern unterstellte ihnen, daß sie mich wie einen Pfingstochsen herausputzten, um mich gewissermaßen stellvertretend mit Daniel ausgehen zu lassen.
Sie gaben mir zahllose Ratschläge, was ich anziehen, wie ich mich zurechtmachen und mich frisieren sollte. Jeder ihrer Sätze fing mit den Worten an: »Wenn ich mit Daniel ausgehen würde...« und »Wenn Daniel mich eingeladen hätte...«
»Die mußt du anziehen«, sagte Charlotte ganz aufgeregt und holte mit Spitze verzierte Seidenstrümpfe aus meiner Wäscheschublade.
»Nein«, sagte ich, nahm sie ihr aus der Hand und legte sie zurück.
»Aber die sind doch bezaubernd.«
»Ich weiß.«
»Und warum willst du sie dann nicht anziehen?«
»Wozu? Es ist doch nur Daniel!«
»Du bist so undankbar.«
»Überhaupt nicht. Aber warum sollte ich sie anziehen? Es wäre reine Verschwendung – wer würde sie denn sehen?«
»Gott im Himmel«, sagte Karen, die gerade einen meiner BHs herauszog. »Ich wußte gar nicht, daß es so kleine gibt.«
»Zeig mal«, verlangte Charlotte, nahm ihn ihr aus der Hand und brach dann vor Lachen fast zusammen. »Ach du liebes bißchen! Das ist ja ein Puppen-BH, wie für eine Barbie-Puppe. Da würde meine Brustwarze so grade reinpassen.«
»Mußt du winzige Brustwarzen haben«, lachte Karen, wobei sie Charlotte mit dem Ellbogen anstieß. »Ich wußte gar nicht, daß es die Größe AAA überhaupt gibt.«
Mit schamrotem Gesicht stapfte ich in meinem Zimmer auf und ab und wartete, daß sie aufhörten, sich über mich lustig zu machen.
Im selben Augenblick, als es an der Haustür klingelte, kam Karen angestürmt und besprühte mich von oben bis unten mit ihrem Parfüm.
»Danke«, sagte ich mit tränenden Augen, während ich darauf wartete, daß sich die Duftwolke auflöste.
»Nichts zu danken«, sagte sie. »Ich will ja nur, daß du so riechst wie ich. Damit ebnest du mir den Weg zu Daniel.«
»Aha.«
Charlotte und Karen stritten sich, wer öffnen gehen sollte. Schließlich blieb Karen Siegerin, weil sie schon länger in der Wohnung lebte.
Mit den überschwenglichen und von einem breiten Lächeln begleiteten Worten »Komm rein« riß sie die Tür einladend auf.
Daniel sah aus wie immer, aber zweifellos würde ich mir später von Karen und Charlotte endlose Lobgesänge über sein tolles Aussehen anhören müssen.
Merkwürdig, daß er bei Frauen so gut ankam, denn es gab an ihm eigentlich nichts Bemerkenswertes. Weder hatte er durchdringende blaue Augen noch blauschwarzes Haar und auch keinen sinnlichen Schmollmund oder einen Unterkiefer von der Größe einer Handtasche – nichts von all dem.
Seine Augen waren grau und nicht im geringsten durchdringend. Ich fand graue Augen langweilig. Seine Haare waren brünett, was eigentlich überhaupt keine Farbe ist. Auch ich war brünett, aber ihm hatte die gute Haarfee glattes und glänzendes Haar beschert, während sich meine Haare bei der kleinsten Gelegenheit zu Locken drehten. Wenn ich im Regen draußen gewesen war, sah ich aus, als hätte ich mir eine Heimdauerwelle gelegt.
Daniel lächelte Karen zu. Er lächelte viel, und all die Frauen, die ihn anziehend fanden, konnten sich nicht genug über sein wunderbares Lächeln auslassen. Ich verstand nicht, was sie daran fanden. Es war einfach eine Ansammlung kleiner Häufchen Zahnschmelz.
Gut, seine Zähne schienen vollzählig und auch echt zu sein. Keiner fehlte, war schwarz, grün und moosbewachsen oder stand im rechten Winkel aus dem Mund hervor. Ja und?
Vermutlich bestand das Geheimnis seines Erfolges darin, daß er aussah wie ein netter Kerl, wie ein anständiger, umgänglicher Mann, dem die überlieferten Werte noch etwas gelten und der eine Frau wie eine Dame behandelt.
Das aber entsprach so wenig der Wahrheit, daß es schon ein Witz war. Doch bis die Frauen, mit denen er zu tun hatte, das gemerkt hatten, war es schon viel zu spät.
»Hallo, Karen«, sagte Daniel und ließ wieder sein breites Lächeln erstrahlen. »Wie geht’s dir?«
»Wunderbar«, sagte sie, »einfach großartig.« Unverzüglich flirtete sie geradezu schamlos mit ihm und
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