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Lucy Sullivan wird heiraten

Lucy Sullivan wird heiraten

Titel: Lucy Sullivan wird heiraten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marian Keyes
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deckte ihn mit herausfordernden Blicken und wissendem Lächeln ein. Mit überlegener Selbstsicherheit wischte sie besitzergreifend imaginäre Fussel von seinem dunklen Wintermantel.
    Mit den Worten »Hallo, Daniel« kam Charlotte träge aus ihrem Zimmer geschlichen. Auch sie flirtete schamlos mit ihm, setzte aber auf die Technik der scheuen und flüchtigen Blicke. Mit ihren rosigen Wangen, den leuchtenden Augen, der hellen Haut und dem zarten Erröten bot sie das Urbild milchtrinkender, vor Gesundheit strotzender Vollkommenheit.
    Lächelnd stand Daniel in unserem kleinen Flur und wirkte sehr groß. Er widerstand Karens Versuchen, ihn ins Wohnzimmer zu bugsieren. »Nein, vielen Dank«, sagte er, »das Taxi wartet draußen.«
    Bei diesen Worten sah er mich ziemlich bedeutungsvoll an und warf dann einen Blick auf seine Uhr.
    »Du bist zu früh dran«, hielt ich ihm vor, während ich auf der Suche nach meinen hochhackigen Schuhen durch den Flur rauschte.
    »Offen gesagt bin ich auf die Minute pünktlich«, gab er sanftmütig zurück.
    »Du hättest es besser wissen müssen«, rief ich aus dem Bad.
    »Gut siehst du aus«, sagte er und hielt mich fest, als ich erneut an ihm vorübereilte. Dabei versuchte er mich zu küssen. Charlotte verzog gequält das Gesicht.
    »Laß das«, sagte ich. »Du verschmierst mir das ganze Make-up.«
    Die Schuhe fand ich in der Küche, im Spalt zwischen Kühlschrank und Waschmaschine. Ich zog sie an und stellte mich neben Daniel. Trotz der hohen Absätze war er immer noch viel zu groß.
    »Du siehst mit dem Goldlamékleid wie eine Prinzessin aus«, sagte Charlotte mit Wehmut in der Stimme. »Es steht dir wirklich gut.«
    »Ja«, stimmte Karen zu und lächelte Daniel ununterbrochen an. Daß sie ihm dabei weit länger in die Augen sah als nötig, schien den alten Weiberhelden nicht weiter zu stören.
    »Sind sie nicht ein herrliches Paar?« fragte Charlotte, wobei sie abwechselnd Daniel und mir zulächelte.
    »Absolut nicht«, sagte ich und verlagerte peinlich berührt das Gewicht von einem der hohen Absätze auf den anderen. »Es sieht bescheuert aus: Er ist viel zu groß, und ich bin viel zu klein. Die Leute werden denken, daß der Zirkus in der Stadt ist.«
    Charlotte bestritt das wortreich und empört, doch Karen widersprach mir nicht. Sie konnte nicht anders, denn sie gehörte zu den Menschen, die die Ersten sein müssen, wo sie gehen und stehen.
    Sie gehörte zu den Menschen, die nie über sich selbst lachen, keinen blassen Schimmer von Selbstironie haben und nie das kleinste Späßchen auf eigene Kosten machen – meiner Ansicht nach wäre sie dazu unter keinen Umständen imstande gewesen. Ich hingegen tat selten etwas anderes.
    Meist war sie die Liebenswürdigkeit in Person, aber wer ihr in die Quere kam, hatte allen Grund, das zu bedauern. Vor allem, wenn sie betrunken war, konnte sie wirklich fürchterlich sein. Sie hatte es vor allem mit der Selbstachtung – wenn man mich fragte, würde ich sagen, daß sie davon beinahe besessen war.
    Vor etwa zwei Monaten hatte ihr Freund Mark schüchtern angedeutet, daß ihre Beziehung unter Umständen ein wenig zu ernsthaft wurde. Sie hatte den armen Kerl kaum ausreden lassen und ihn aufgefordert, augenblicklich das Haus zu verlassen, wobei sie ihm kaum Zeit ließ, sich anzuziehen. (Sie besaß sogar noch seine Unterhose, mit der sie ihm triumphierend aus dem Fenster nachgewinkt hatte, während er nach Hause schlich.) Dann hatte sie eine Drei-Liter-Flasche Wein gekauft und darauf bestanden, daß ich ihr bei deren Vertilgung Gesellschaft leistete.
    Es war ein schrecklicher Abend gewesen. Sie hatte wortlos dagesessen, finster vor sich hin gegrollt und gelegentlich das Wort »Scheißkerl« ausgestoßen, während ich nervös neben ihr an dem Wein genippt und nichtssagende Dinge gesagt hatte, von denen ich hoffte, daß sie sie trösteten. Aus heiterem Himmel wurde sie dann gemein.
    Sie wandte sich mir zu, packte mich vorn am Kleid und sagte ziemlich unartikuliert: »Wenn ich schon keine Achtung vor mir hab, wer soll dann welche haben? Hä?« Ihre Augen waren halb geschlossen und ihr Gesicht dem meinen unangenehm nah. »Sag schon!«
    »Absolut«, antwortete ich, »wer soll sonst Achtung vor dir haben?«
    Aber am nächsten Tag hatte sie sich entschuldigt, und seither war es nicht mehr zu einem ähnlichen Vorfall gekommen. Davon abgesehen, daß sie immer die Nummer eins sein mußte, war sie wirklich in Ordnung. Es gab mit ihr viel zu lachen, sie hatte

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