Lucy Sullivan wird heiraten
einen Slip an. Und einen Rock.«
»Na, dann war das ja nicht so schlimm, oder?«
»Ich glaub nicht. Ach Lucy, muntere mich ein bißchen auf. Erzähl mir eine Geschichte. Erzähl mir... laß mal sehen... erzähl mir, wie dein Freund dir damals den Laufpaß gegeben hat, weil er sich in einen anderen Kerl verknallt hatte.« Mir wurde das Herz schwer.
Aber es war meine eigene Schuld. Ich hatte mir – zumindest unter meinen guten Freundinnen – einen gewissen Ruf als Erzählerin komischer Geschichten geschaffen, in deren Mittelpunkt die Tragödien meines eigenen Lebens standen. Vor langer Zeit hatte ich erkannt, daß eine Möglichkeit, wie ich vermeiden konnte, eine tragische und mitleiderregende Rolle zu spielen, darin bestand, daß ich eine witzige und spaßige Figur abgab – vor allem, wenn ich über meine tragischen und mitleiderregenden Eigenschaften Witze machte.
Auf diese Weise konnte niemand über mich lachen, weil ich ihnen zuvorgekommen war.
Aber in dem Augenblick war ich nicht dazu in der Stimmung.
»Nein, Charlotte, ich kann nicht.«
»Mach schon.«
»Nein.«
»Erzähl doch, wie du dir die Haare für ihn kurz schneiden lassen mußtest und er trotzdem mit dir Schluß gemacht hat.«
»Ach, nein, zum Teufel. Na, von mir aus. Was soll’s.«
Wer weiß, dachte ich, vielleicht muntert es mich ja auf.
Also ergötzte ich Charlotte, so spaßig wie ich konnte, mit einer der vielen demütigenden Niederlagen in meinem Liebesleben. Einfach um ihr das Gefühl zu geben, daß ihr Leben nie und nimmer so schlimm sei wie meins, wie katastrophal auch immer es sein mochte.
»Heute abend gibt’s ’ne Party«, sagte Karen. »Kommst du mit?«
»Ich kann nicht.«
»Kannst du nicht, oder willst du nicht?« fragte sie mit schottischer Schärfe.
»Ich kann nicht.«
»Warum nicht?«
»Ich hab mich überreden lassen, mit Daniel zum Abendessen auszugehen.«
»Du Glückspilz gehst mit Daniel zum Essen«, hauchte Charlotte mit rot übergossenem Gesicht.
»Aber wieso hat er dich eingeladen?« kreischte Karen entrüstet.
»Karen!« mahnte Charlotte.
»Du weißt schon, was ich meine, Lucy«, sagte Karen ungeduldig.
»Na klar.«
Karen nahm kein Blatt vor den Mund, aber offen gestanden hatte sie völlig recht. Auch mir war schleierhaft, warum Daniel mit mir ausgehen wollte.
»Er hat mit seiner Tussi Schluß gemacht«, sagte ich, und sofort gab es einen Aufschrei. Karen saß kerzengerade auf dem Sofa, als wäre sie von den Toten auferstanden.
»Ist das dein Ernst?« fragte sie mit sonderbar besessener Miene.
»Super«, sagte Charlotte mit glückseligem Lächeln. »Ist das nicht phantastisch?«
»Er ist frei und ungebunden?« fragte Karen.
»Genau«, bestätigte ich feierlich. »Er hat der Gesellschaft gegenüber alle Schulden bezahlt und so weiter.«
»Nicht mehr lange, wenn ich da ein Wörtchen mitreden darf«, sagte Karen mit stählerner Entschlossenheit und dem Kopf voller Bilder, wie sie mit Daniel Hand in Hand feine Lokale besuchte, sie und er einander an ihrem Hochzeitstag strahlend anlächelten, wie sie und er ihr erstes gemeinsames Kind zärtlich kitzelten.
»Wohin geht ihr?« fragte Karen, als sie in die Gegenwart zurückgekehrt war und der allgemeine Tumult sich ein wenig gelegt hatte.
»In irgend so ein Russenlokal.«
»Doch nicht etwa in den Kreml?«
»Doch.«
»Du ahnst ja nicht, was für ein Schweineglück du hast!«
Beide starrten mich an, der blanke Neid stand ihnen ins Gesicht geschrieben.
»Seht mich nicht so an«, sagte ich ängstlich. »Ich will ja nicht mal hin.«
»Wie kannst du so was sagen?« fragte Charlotte.
»Ein gutaussehender...«
»Wohlhabender«, warf Karen dazwischen.
»Ein gutaussehender wohlhabender junger Mann wie Daniel lädt dich in ein piekfeines Restaurant ein, und du willst nicht mal hingehen?«
»Aber er sieht doch überhaupt nicht gut aus und ist auch nicht wohlhabend...« protestierte ich matt.
»Aber ja«, riefen sie im Chor.
»Gut, mag sein, daß ihr recht habt. Aber, aber – aber mir nützt das nichts«, sagte ich klanglos. »Ich finde nicht, daß er gut aussieht. Und er ist einfach ein guter Freund. An einem Samstagabend mit so jemand auszugehen, ist in meinen Augen totale Zeitverschwendung, vor allem, wo ich eigentlich überhaupt nicht ausgehen möchte.«
»Du stehst echt daneben«, brummelte Karen.
Ich widersprach ihr nicht. Damit rannte sie bei mir offene Türen ein.
»Was willst du anziehen?« fragte Charlotte.
»Ich weiß nicht.«
»Aber
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