Lübeck
heute als Rabbiner, Politiker, Professoren, Journalisten und Musiker national und international bekannt. Ehrungen in Israel, GroÃbritannien, Deutschland und den USA, wohin es die Familie auf der Flucht vor dem Holocaust verschlagen hatte, waren die Folge. Fast wundert man sich, dass es keine filmische Doku im Stile der âMannsâ über diese hochinteressante Rabbinerfamilie gibt.
Ephraim Carlebach (1879â1936), mit dem Thomas Mann während seiner Schulzeit befreundet war, machte sich in Leipzig als Rabbiner und Gründer der Höheren Israelitischen Schule einen Namen. Sein Sohn Ezriel Carlebach (1909â56), ein provokanter Journalist, entkam nur knapp einem Attentat im Januar 1933 (der Täter schoss durch Ezriels Hut) und emigrierte 1936 nach Palästina. Er war es, der Albert Einstein in jenem berühmten Telegramm von 1952 eine Präsidentschaft im neu gegründeten Staat Israel vorschlug.
Als âsingender Rabbiâ gingShlomo Carlebach (1920â94) in die Geschichte ein. Seinen religiösen Folkrock veröffentlichte der New Yorker auf mehr als 25 Alben. Künstlerischer Höhepunkt: 1963 spielte er an der Seite von Bob Dylan und Joan Baez auf einem Festival in San Francisco.
Emil Carlebach (1914â2001) machte als überzeugter kommunistischer Politiker von sich reden, Zeit seines Lebens leugnete er zum Beispiel die Verfolgung deutscher Kommunisten durch Stalin ⦠Während des NS-Regimes wurde er ins KZ Buchenwald verschleppt und beteiligte sich dort an dem Aufstand gegen die SS-Wachen im April 1945. Nach dem Zweiten Weltkrieg war er hessischer Landtagsabgeordnter und arbeitete an der hessischen Verfassung mit.
Der Manchester RabbinerFelix Falk Carlebach (1911â2008) erhielt 1987 die Ehrenbürgerschaft in Lübeck, eine Auszeichnung, die neben ihm nur 18 Bürgern zuteil wurde âAdolf Hitler, Wilhelm Frick, Hermann Göring und Alfred Rosenberg strich man aus nachvollziehbaren Gründen von der Liste. UndJulius Carlebach (1920â2001), ein New Yorker Rabbiner, der auch in Cambridge und Bristol lehrte, bekam sogar das Bundesverdienstkreuz. Beide Cousins wurden für herausragende Leistungen an der deutsch-jüdischen Versöhnung geehrt.
Die letzte lebende Enkelin der Lübecker Dynastiegründer istMiriam Gillis-Carlebach. 1922 in Hamburg geboren, emigrierte sie 1938 als 16-Jährige nach Palästina und arbeitet heute als Professorin für Pädagogik, Soziologie und jüdische Geschichte deutscher Herkunft in der Nähe von Tel Aviv.
Spaziergang 2: St.-Annen-Museum, St. Aegidien und HüxstraÃe
St. Aegidien
In der von der St.-Annen-StraÃe abzweigenden AegidienstraÃe befindet sich das gleichnamige Gotteshaus, das die Silhouette des Lübecker Sieben-Türme-Ensembles entscheidend mitprägt. Zwischen Platanen und Linden, umrahmt von netten Werkmeister- und Pfarrhäusern, ist sie die vielleicht charmanteste Kirche der Altstadt. Klein, eng und atmosphärisch ist es im Inneren. Bis auf einige längst ausgebesserte Kratzer an Dach und Fenstern ist in der Aegidienkirche alles genau so wie anno dazumal.
1227 erstmals im ältesten Oberstadtbuch erwähnt, wird der spätromanische Bau in der ersten Hälfte des 14. Jh. dreischiffig und erhält Mitte des 15. Jh. einen Chor. Im Zuge der Reformation feierte man am 1. Mai 1530 in St. Aegidien das erste protestantische Abendmahl in der Hansestadt.
1586/87 entstand der Singechor, von dessen Empore die Chorschüler das musikalische Wort in deutscher Sprache in die wissbegierigen Ohren der Gemeinde trällerten.Tönnies Evers d. J., ein bedeutender Bildschnitzer der Spätrenaissance, schuf ihn. Man beachte v. a. den geschwungenen Treppenaufgang, etwas versteckt hinter dem linken Pfeiler. Die detailliert herausgearbeiteten Figuren sollen die Vielfalt der menschlichen Welt darstellen. Am linken Pfeiler ist zudem eine Christusfigur aus der zweiten Hälfte des 13. Jh. angebracht, eines der ältesten Stücke der Kirche.
Nicht ganz so alt, dafür noch faszinierender sind die gotischen Wandmalereien im Chor. Laut Forschung ist der ganze Kirchensaal voll davon, aber leider fehlt bislang das nötige Kapital, um sie freizulegen. Immerhin wurden 1987 vier Szenen aus dem 15. Jh. aufwendig restauriert.
Am anderen Ende des Mittelschiffs trifft man auf eine wuchtige Orgel, die zwischen 1624 und 1626 entstand. Nach Plänen von
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