Lügen haben sexy Beine
die Küche. Jede seiner Bewegungen war leise und beherrscht. Dahinter brodelte heftige Wut in ihm. „Also ist es meine Schuld, dass du gelogen hast. Du warst quasi gezwungen, in mein Haus zu kommen und mich anzulügen, weil ich dir keine Chance gegeben habe.“
Das Licht der Nachmittagssonne fiel durch die Küchenfenster. Das laute Ticken der Wanduhr kam Ivy übernatürlich laut vor. Sie glaubte, ihren Herzschlag widerhallen zu hören. Hairy winselte wieder, als witterte er, dass die Spannung zunahm.
Ivy sah in Tanners vertraute Augen, mit denen er sie nun zornig anfunkelte. Ihr Herz schien zu zerspringen, und die unangenehme Kälte in ihr wurde stärker. Ich habe zu lange gewartet, dachte sie. Ich hätte ihm schon viel früher alles beichten sollen.
„Hör mir wenigstens zu, Tanner“, bat sie ihn und schaute ihn eindringlich an. Auch wenn es wehtat, nicht mehr jenen Mann in ihm zu sehen, in den sie sich verliebt hatte.
„Warum sollte ich? Hast du noch ein paar Lügen parat?“
„Nein.“ Sie seufzte, holte tief Luft und sagte: „Ich wollte es dir heute sagen. Weil ich es nicht mehr länger vor dir verbergen will.“
„Klar“, sagte er trocken. „War bestimmt eine große Bürde für dich.“
Obwohl sie sich miserabel fühlte, glomm nun auch in ihr ein Funken Wut. Ja, es war ein Fehler gewesen, ihn anzulügen. Aber immerhin bat sie ihn um Verzeihung und ließ klaglos seinen Zorn über sich ergehen. Zählte das etwa nicht?
Oh, wie sehr hatte Ivy sich vor diesem Gespräch gefürchtet. Obwohl sie natürlich gewusst hatte, dass ihr dieser Moment früher oder später bevorstehen würde. Schließlich lebte Tanner in Cabot Valley. Es wäre unmöglich gewesen, nicht herauszufinden, wer sie war. Trotzdem hatte sie insgeheim gehofft, einen anderen Weg zu finden, ihm die Wahrheit beizubringen.
Wieso hatte sie ihm nicht einfach alles nach der gemeinsamen Nacht gestanden?
Ivy wusste warum. Weil sie ihn liebte. Weil sie geglaubt hatte, die kostbaren Momente mit ihm dadurch zu verlieren.
Jetzt musste sie den Preis dafür zahlen.
Sie streckte eine Hand nach ihm aus, weil sie ihn berühren wollte, ließ sie aber wieder sinken. Ein unerfüllbarer Wunsch. „Es war sogar eine sehr große Belastung für mich. Ich fand es schrecklich, dich anzulügen. Aber ich wusste einfach nicht, wie ich dir die Wahrheit sagen sollte.“
„Das ist doch auch bloß eine Lüge, Ivy. Du wolltest es mir nicht sagen. Du warst viel zu beschäftigt damit, mich auf deine Seite zu ziehen.“
„Okay, das stimmt“, gab Ivy zu. „Das war mein Plan. Als Mitchell …“
Tanner riss die Augen auf, Zornesröte stieg ihm ins Gesicht. „Mitchell? Das ist doch wohl nicht wahr! Natürlich, Mitchell steckt mit dir unter einer Decke. Er ist schließlich derjenige, der dich angeheuert hat.“
„Mach ihm bitte keinen Vorwurf“, bat sie ihn schnell und wünschte, sie hätte ihre Worte wieder zurücknehmen können. Sie hatte nicht vorgehabt, Tanners Freund und Anwalt zu verraten. Es war ihr einfach so herausgerutscht. „Er hat mich angerufen, um mit mir über deine ewigen Beschwerden zu reden. Darüber sind wir ins Plaudern gekommen und dann …“ Hilflos hob Ivy die Arme. „… dann hatten wir plötzlich alles besprochen. Ich weiß nicht einmal mehr, von wem die Idee stammte.“
„Na prima“, murmelte Tanner. „Mein bester Freund macht gemeinsame Sache mit dir. Ihr seid beide Lügner.“
„Du hast uns keine andere Möglichkeit gelassen, Tanner“, erwiderte sie beleidigt und spürte, dass sie wütender wurde.
Tanner lachte auf. „Dann ist es also meine Schuld?“
„Nein, das habe ich doch gar nicht behauptet“, widersprach sie. „Alles, was ich gesagt habe, ist, dass du es einem nicht besonders leicht machst. Du redest mit niemandem, ziehst dich in dieses Haus zurück und …“
„Du bist seit zwei Wochen hier, Ivy. Jeden verdammten Tag, seit zwei Wochen. Du hattest jede Menge Gelegenheiten, mit mir zu sprechen. Aber du hast es nicht getan.“
„Ich weiß ja, dass es ein Fehler war zu lügen. Aber ich wusste einfach nicht, was ich sonst hätte machen sollen.“
„Mit mir reden? Mir die verdammte Wahrheit sagen vielleicht?“
„Klar, ist ja auch einfach, mit dir ein Gespräch anzufangen“, erwiderte Ivy und spürte den Stich, den seine Anschuldigung ihr versetzte. Obwohl sie zugeben musste, dass er nicht unrecht hatte.
„Du bist wirklich merkwürdig“, presste Tanner finster hervor. „Du hast mich an der Nase
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