Lügen in Kriegszeiten
Verteidiger der Schwachen und die Streiter für die Freiheiten Europas.
„Times” , 5. August 1914.
Es muß klar verstanden werden, wann und warum wir eingriffen. Erst als wir vor die Wahl gestellt waren, feierliche Verpflichtungen entweder zu halten oder zu brechen, ein bindendes Versprechen einzulösen oder uns der nackten Gewalt zu unterwerfen, erst dann zogen wir das Schwert aus der Scheide … Wir waren durch unsere Verpflichtungen, klare und oberste Verpflichtungen, gebunden, die bedrohte Unabhängigkeit eines kleinen und neutralen Staates (Belgien) zu verteidigen und zu wahren.
Mr. Asquith, Unterhaus, 27. August 1914.
Die vertraglichen Verpflichtungen Großbritanniens jenem kleinen Lande (Belgien) gegenüber, führten uns in den Krieg.
Mr. Lloyd George, 5. Januar 1918.
Keine von diesen Ausführungen der einander folgenden Premierminister ist wahr. Wir wurden durch unsere Bindung an Frankreich in den Krieg hineingezogen. Der Angriff auf Belgien wurde zur Entfachung der nationalen Begeisterung ausgenützt. Eine Phrase, die dieselbe Wirkung ausüben sollte, wurde in die Thronrede vom 18. September 1914 eingeschaltet:
Ich war gezwungen, zur Verteidigung der absichtlich mißachteten Vertragsverpflichtungen … Krieg zu führen.
Die folgenden zwei Auszüge geben den Sachverhalt richtig:
Sie bedenken nicht, daß unsere Ehre und unser Interesse uns gezwungen hätten, uns Frankreich und Rußland anzuschließen, selbst wenn Deutschland die Rechte seiner kleinen Nachbarn gewissenhaft geachtet und versucht hätte, sich durch die Befestigungen im Osten den Weg nach Frankreich durchzuhauen.
„Times”, 15. März 1915.
Sir D. Maclean: Wir traten um Belgien willen in den Krieg ein.
Mr. Chamberlain: Wir hatten einen solchen Vertrag mit Belgien. Wäre es Frankreich allein gewesen, so hätten wir nach den stattgehabten Unterredungen nicht beiseitestehen können. Es wäre nicht in unserem Interesse gewesen, beiseitezustehen, und wir hätten auch nicht beiseitestehen können, ohne unsere Ehre und Sicherheit einzubüßen.
Unterhaus, 8. Februar 1922.
Aber der Angriff auf Belgien wurde nicht nur als die Kriegsursache erklärt, sondern er wurde auch als ein beispielloser, gesetzwidriger Vertragsbruch hingestellt. Heute noch findet man „den Fetzen Papier“ (eine Nachbildung des Vertrages) an den Wänden einiger Elementarschulen eingerahmt hängen.
Es gibt keine Nation, die sich nicht eines Vertragsbruches schuldig gemacht hat. Wenn Krieg erklärt ist, werden rechts und links Verträge in Fetzen zerrissen. Es gab während des Krieges noch andere Neutralitätsverletzungen. Leider ist die Verletzung eines Vertrages eine Sache der Zweckmäßigkeit und nicht eine Sache der internationalen Moralität. Im Jahre 1887, als der Ausbruch eines Krieges zwischen Frankreich und Deutschland allgemein befürchtet wurde, erörterte die Presse, einschließlich des Standard , der damals mehr oder weniger als ein Regierungsorgan galt, gelassen und leidenschaftslos die Möglichkeit, daß Deutschland zum Angriffe auf Frankreich der Durchmarsch durch Belgien gestattet würde. Der Standard führte aus, daß es verrückt wäre, wenn Großbritannien sich dem Durchzug deutscher Truppen durch Belgien widersetzen würde, und der Spectator schrieb: „Wir werden dem Durchmarsch durch sein Gebiet kein Hindernis in den Weg legen, was wir tatsächlich auch nicht tun können.“ Wir hatten 1914 in bezug auf unsere vertraglichen Verpachtungen kein zarteres Gewissen als Anno 1887, nur standen wir im Jahre 1887 zufällig mit Deutschland auf gutem Fuße, während unsere Beziehungen zu Frankreich damals gespannt waren. Die gegenteilige Politik paßte uns deshalb besser.
Außerdem kam der Angriff auf Belgien nicht überraschend. Alle unsere Pläne waren darauf eingestellt. Die veröffentlichten belgischen Akten enthüllten die Tatsache, daß es sich bei den „Unterredungen“ von 1906 um sehr vollständige Pläne über militärisches Zusammenwirken im Falle eines deutschen Einfalls in Belgien handelte, aber zwischen Deutschland und Belgien waren keine ähnlichen Pläne aufgestellt. Die Franzosen und Briten werden darin als die alliierten Armeen, Deutschland als „der Feind“ bezeichnet. Auch für die Landung britischer Truppen waren vollständige und ausgearbeitete Pläne hergestellt.
Politisch war der Einfall in Belgien ein großer Fehler. Strategisch war er der naturgemäße und offensichtliche Kurs, den Deutschland
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