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Lügen & Liebhaber

Lügen & Liebhaber

Titel: Lügen & Liebhaber Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Fülscher
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Hochzeitsgesellschaft ab. Natürlich bezogen sich unsere Kommentare rein auf Äußerlichkeiten, und ich kam aus dem schadenfrohen Gelächter gar nicht mehr raus, als mein Onkel nahezu alle anwesenden Personen weiblichen Geschlechts mit dem Stempel der Ziegenhaftigkeit versah. Allen Voran meine unterbelichteten Halbschwestern Senta und Caroli, aber auch meine feurige Schwägerin in spe Carmen blieb nicht verschont. Außerdem fand ich es überaus taktvoll von ihm, daß ich nicht Rechenschaft ablegen mußte,was denn seit dem Examenskaffeetrinken bei meiner Mutter beruflich aus mir geworden war.
    Leider Gottes blieb es aber nicht beim Futtern und Ablästern, denn einige Leute fühlten sich bemüßigt, Reden zu schwingen, wenn auch nur, um sich auf denkbar idiotische Art in Szene zu setzen.
    Den Anfang machte mein Bruder. Zum Glück wartete er nicht mit einem heiteren Text in Versform auf, sondern hielt eine nüchtern-historische Ansprache, der es jedoch ein wenig an Herzenswärme mangelte. Aber das war typisch für Thomas. Auch wenn er eigentlich kein emotionsloser Mensch war, konnte er seine Gefühle einfach nicht adäquat rüberbringen, geschweige denn aussprechen.
    Kaum war der verhaltene Applaus verebbt, trat Onkel Ferdinand vor, und ohne auf einen Spickzettel zurückzugreifen, schüttelte er eine zum Kreischen komische Rede aus dem Ärmel, die meinen Bruder eigentlich vor Neid hätte erblassen lassen müssen. Klar hatte Onkel Ferdinand den Vorteil, daß er seine ganze Kindheit mit meiner Mutter verbracht hatte und sich daher noch an etliche Streiche und Pannen erinnerte, aber ich bezweifelte, daß mein Bruder auch nur einen Gag aus unserer Kindheit hätte bringen können.
    Rede Nummer drei und Nummer vier kamen von seiten der Kichermann-Verwandtschaft. Beide waren zum Einschlafen langweilig und nahmen zu allem Überfluß einfach kein Ende. Ich sah, wie meine Mutter einen Gähner unterdrückte, und dachte noch, Mannomann, denen ist wirklich gar nichts heilig, als sich der letzte Kichermann-Redner endlich verbeugte und mein Vater vortrat, in der Hand einen kleinen ledernen Notizblock.
    Das konnte nicht sein. Mein Dad namens Horst wollte sich doch nicht allen Ernstes entblößen und eine Ansprache halten! Aber jeglicher Irrtum war ausgeschlossen. Vater stellte sich in Positur, er ließ seinen Blick über die Hochzeitsgesellschaft schweifen, und wenn ich auch bisher nicht gewußt hatte, was Geschmacklosigkeit war, so wurde es mir in diesem Momentnur allzu deutlich vor Augen geführt. Es gab keinen Fluchtweg, und ich wollte auch Mutter nicht allein lassen, die sich an ihrem Helmut festkrallte, den Blick starr auf ihren Exmann geheftet.
    Dabei fing noch alles ganz harmlos an. Vater leitete mit ein paar Platitüden ein, die üblichen Dankesworte, wie glücklich er sei, diesem Ereignis beiwohnen zu dürfen und so weiter, dann kam er auf seine spezielle Rolle an diesem Tag zu sprechen, die darin bestehe, seine Exfrau dem sehr verehrten Herrn Kichermann zu treuen Händen zu übergeben.
    Ich glaubte meinen Ohren nicht zu trauen. Seit etlichen Jahren waren meine Eltern geschieden, und jetzt tat mein Vater so, als habe die neu entstandene Verbindung seiner Zustimmung bedurft oder sei sogar auf seinem Mist gewachsen. Unverschämtheit. Ich war nahe dran, unter stummem Protest den Saal zu verlassen, aber wahrscheinlich hielt mich letztlich meine Neugierde davon ab. Mal sehen, was mein Vater noch für einen Mist verzapfen würde.
    Und es war in der Tat Mist, mehr als das, denn als leide er unter kompletter Wahrnehmungsstörung, begann er in verquastem Jahrhundertwendedeutsch ein Loblied erst auf seine Kinder zu singen, dann auf sich selbst, der ja so viel für seine Kinder, sprich für mich und meinen Bruder, getan hatte. Ich schaute zu Thomas rüber, der andächtig dastand und die Fingerspitzen seiner Carmen knetete. Ja – vielleicht hatte er allen Grund, sich an dem Gesülze und Gelüge meines Vaters zu ergötzen. Immerhin war er die letzten drei Jahrzehnte als Lieblingskind aus erster Ehe durchgegangen.
    Mir war schlecht, so hundeelend, daß ich liebend gern die halb verdauten Kanapees irgendwohin gespuckt hätte. Aber mein Vater war noch nicht am Ende. Mit einer leichten Verbeugung wandte er sich an Helmut Kichermann und sagte, indem eine wohl nicht nur für mich sichtbare Schleimspur an ihm hinabtropfte, er sei froh, daß seine Exfrau einen so kompetenten und aufrichtigen Mann geehelicht habe, und im Sinne der ja jetzt wohl

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