Lügen & Liebhaber
Ab und zu versuchte ich es noch mit Anrufen, aber sofern überhaupt jemand ranging, war es Henrik, und der hatte offensichtlich die Auflage bekommen, besonders patzig und kurz angebunden zu mir zu sein.
Karl sagte zu, und das war wirklich Grund zu jubilieren. Allerdings bestand er auf Barcelona, weil dies – wie er mir einzureden versuchte – die spannendere Stadt sei. Ich war mit allem einverstanden.
Als hätte es den Streß der letzten Monate nicht gegeben, saßen wir am 14. März Seite an Seite im Flugzeug, und während Karl wieder mal nur das Essen im Kopf hatte, fürchtete ich mich wegen des stürmischen Wetters vor Turbulenzen. Das war auch angebracht, denn irgendwie flog die Maschine kaum noch anständig geradeaus, sondern machte einen Hopser nach dem anderen. Käseweiß kroch ich nach gut drei Stunden aus dem Flieger, Karl streichelte immer noch beruhigend meine Hand, und wenn wir auch in der »Villa de Madrid« zwei Einzelzimmer gebucht hatten, fühlte ich mich doch mehr mit ihm verbunden als zu der Zeit, in der wir noch miteinander ins Bett gegangen waren. Vielleicht lag es nicht zuletzt daran, daß ich ihm endlich mal meine Beziehung zu Adriano in allen Einzelheiten gebeichtet hatte.
Tagsüber stand Karl mir bei meiner Jobsuche zur Seite, aber je mehr Cafés, Hotels und Boutiquen wir abklapperten, desto klarer wurde mir, daß dies wohl ein eher hoffnungsloses Unterfangenwar. Entweder wurden solide Spanischkenntnisse verlangt, oder die Bezahlung war schlichtweg indiskutabel. Und dann fehlte mir Toni. Verdammt noch mal, sie fehlte mir so sehr, daß ich einmal nachts aufwachte und wie blöd weinen mußte. Zum Glück bekam Karl nichts davon mit.
Am letzten Abend – wir unternahmen nach dem Essen noch einen Spaziergang am Yachthafen – bot Karl mir an, für ihn zu arbeiten.
»Wie stellst du dir das vor?« fragte ich mißgestimmt.
»Du machst da weiter, wo du aufgehört hast.«
»Ich denke, ich bin sauschlecht !«
Wenn er glaubte, ich hätte seine beleidigenden Worte von damals vergessen, war er auf dem falschen Dampfer.
»Nein, du warst nicht sauschlecht«, murmelte Karl, während er seinen wohlgenährten Bauch streichelte. »Ich meine, du warst auch nicht gerade gut, aber sauschlecht , nein …«
»Okay – wenn ich nicht richtig gut bin, hat es auch keinen Sinn.« Ohne zu fragen, angelte ich eine Packung Pfefferminz aus Karls Jeansjacke, friemelte eine Pastille heraus und ließ sie, indem ich meine Augen für einen kurzen Moment schloß, in meinen Mund wandern.
»Immerhin ist bei dir nicht Hopfen und Malz verloren.« Karl grinste jetzt und nahm die Pfefferminzpackung wieder an sich.
»Im Ernst. Ich könnte dir ein paar richtig gute Tips geben. Das wird schon.«
Mit einemmal blieb er stehen und schaute aufs Wasser, das seit ein paar Minuten eine spiegelglatte Fläche war. Dann las er die Namen der einzelnen Boote, die hier vor Anker lagen, vor, langsam und wohl prononciert: »Oceania, KAO, Passione 40-0-7, Emmi B … Hättest du gern so eins?«
»Keine Ahnung. Vielleicht ja, vielleicht nein …« Ich liebte das Meer und alles, was damit zusammenhing, zwar über alle Maßen, aber offen gestanden hatte ich mir noch keine Gedanken über die Anschaffung eines Bootes, geschweige denn einer Yacht gemacht.
»Wie würdest du dein Boot nennen?« beharrte Karl.
»Passione 40-0-7«, sagte ich wie aus der Pistole geschossen, woraufhin Karl in wieherndes Gelächter ausbrach. »Typisch. Typisch Sylvie!«
Mir war jedoch überhaupt nicht nach Lachen zumute, also stopfte ich meine Hände in die Taschen meine Workerhosen und versuchte den Horizont auszumachen, der gerade von der Dämmerung verschluckt wurde.
»Also, was ist …?« fragte Karl.
»Hm?«
»Synchron … Du schuldest mir noch eine Antwort.«
Und da Karl mich in einer Tour forschend ansah, sagte ich schließlich mit brüchiger Stimme: »Ich werde es mir überlegen.«
Dazu brauchte ich nicht länger als zwölf Stunden. Denn kaum hatte sich das Flugzeug am nächsten Morgen in die Luft erhoben, teilte ich Karl mit, sein Vorschlag sei vermutlich nicht der schlechteste, allerdings würde ich weder ganz nach Berlin gehen noch während der Produktionszeiten bei ihm wohnen.
»In Ordnung.« Karl schaute sich ungeduldig um, ob das Essen endlich mal serviert werden würde.
»Und falls du nicht auf Porno stehst, habe ich auch noch ein paar Serien und B-Movies im Angebot. Na – was sagst du?«
Ich kratzte einen Schokoladenrest von der Lehne und
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