Lügen mit Zahlen: Wie wir mit Statistiken manipuliert werden (German Edition)
Männer dagegen drei Mal, und das jeweils deutlich. Wenn hier jemand diskriminiert wurde, dann waren das eher die Männer.
Wie zum Teufel ist so ein Widerspruch möglich? Dass
irgendwelche Religionen, Philosophien, pädagogischen oder volkswirtschaftlichen Theorien in sich widersprüchlich sein können, diesen Kummer sind wir ja gewohnt. Aber eine rein mathematische Statistik?
Bitte tief Luft holen.
Und nochmal tief Luft holen!
Und dann die Zahlen einmal genauer ins Auge fassen. Wo hat sich die Masse der Frauen beworben? 80 von insgesamt 125 Frauen haben sich beim Fachbereich 3 beworben; und das ist ausgerechnet der Fachbereich, der drei Viertel aller Bewerber, egal, ob männlich oder weiblich, abgelehnt hat. Das hat die Gesamtablehnungsquote bei den Frauen in die Höhe getrieben. Anders bei den Männern. Von denen wollten die meisten in die Fachbereiche 1 und 2; und das waren Fachbereiche, die die meisten Bewerber – egal, ob Frauen oder Männer – aufgenommen haben. Entscheidend waren also die Auswahl des Fachbereichs und die allgemeinen Zulassungsquoten der Fachbereiche, nicht aber das Geschlecht der Bewerber. Und ähnlich hat es sich auch 1973 bei der Universität in Berkeley zugetragen. Zum Glück kamen die statistischen Fachargumente auch vor Gericht – das ist leider nicht immer der Fall 5 –, und die Universität wurde nicht verurteilt.
Aber jetzt zurück zu unseren jungen Ärzten in Hansistan. Betrachten wir die Arztgruppen einzeln, dann haben die Ärzte im Flachland in allen Gruppen zum Teil deutlich besser verdient als im Bergland. Betrachten wir dagegen alle Ärzte zusammen, ist das Bergland lukrativer. Was stimmt denn nun?
Geschult durch das Beispiel der Fachbereiche in Berkeley erkennen wir, dass auch hier wieder sehr unterschiedliche Daten zusammengefasst wurden. Die Schnibbler bilden die größte Gruppe der Ärzte, und da ist die Bestverdienerquote
verhältnismäßig gering. In der kleineren Gruppe der Knochenflicker dagegen ist die Bestverdienerquote sehr hoch. Die zahlenmäßig kleinste Gruppe der Tröster hat dazu eine völlig unterschiedliche Bestverdienerquote im Flachland und im Bergland. Hier sehen wir ein wichtiges gemeinsames Merkmal mit der genannten Universität: die sehr unterschiedlichen Gruppenzusammensetzungen. Diese scheinen, wenn man sie zusammenfasst, anfällig zu sein für das Simpson-Paradox. Beck-Bornholdt und Dubben nennen ein weiteres interessantes Beispiel aus der Medizinpraxis, das das Problem vielleicht am besten verdeutlicht: Werden in völlig unterschiedlichen Kliniken – etwa in einem Kinderkrankenhaus und einer geriatrischen Einrichtung – die gleichen zwei Medikamente auf ihre Wirkungsweise verglichen, kann Simpson zuschlagen – etwa so, dass Medikament A sowohl im Kinderkrankenhaus als auch in der Geriatrie besser abschneidet, und dennoch in der Zusammenfassung Medikament B das bessere zu sein scheint. 6
So gewappnet trauen wir uns jetzt endlich, die Frage der beiden jungen Ärzte Scheffel und Klettermax zu beantworten, wer recht hat. Wenn es nur um den Verdienst geht, müssen wir Scheffel recht geben. Denn egal, wo ihn der Staat nachher einsetzt, ist im Flachland die Wahrscheinlichkeit höher, später sehr gut zu verdienen. Der Gesamtüberblick führt hier ähnlich in die Irre wie bei der angeblichen Geschlechterdiskriminierung in Berkeley. Und genauso verhält es sich bei den beiden getesteten Medikamenten. Als Patient sind Sie entweder Kind oder Greis, niemals beides gleichzeitig. Also nehmen Sie das Medikament, das in Ihrer Altersgruppe besser ist. Der Detailblick gewinnt, oder anders gesagt: Die Wahrheit ist stets konkret.
Ein anderes geläufiges Sprichwort wird hier allerdings widerlegt: Die Tücke liegt eben nicht im Detail, sondern im groben Überblick. Haben Sie zusammengefasste Daten von recht unterschiedlichen Gruppen vor sich, müssen Sie immer Vorsicht walten lassen. Sei es beim Risikostrukturausgleich zwischen den verschiedenen Krankenkassen, bei Länderdaten internationaler Konzerne, bei Vergleichsdaten der Bundesländer – überall kann es passieren, dass Vorteile, die in (fast) jeder Einzelbetrachtung (Krankenkasse, Land, Bundesland) bestehen, in der Zusammenfassung untergehen und dort sogar als Nachteil erscheinen. Ähnlich wie beim Will-Rogers-Phänomen verdeckt die Zusammenfassung das, was im Einzelnen wirklich geschieht.
Am Ende haben wir also eine schlechte Nachricht für Sie: Sie müssen sich bei wichtigen Entscheidungen leider
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