Lügen mit Zahlen: Wie wir mit Statistiken manipuliert werden (German Edition)
die Mühe machen, ein wenig ins Detail zu gehen.
Eine weitere interessante Aufgabe aus den Schluchten des Simpson-Paradoxons finden Sie im Kapitel »Übung macht den Meister« (S. 293). Simpson macht es dort sogar möglich, dass Raucher über 54 länger leben als Nichtraucher. Allerdings nur im groben Überblick. Schauen wir uns einzelne Altersgruppen an, dann leben, wie zu erwarten, die Nichtraucher länger. Besonders tückisch: Gerade das frühere Sterben vieler Raucher löst den paradoxen Effekt aus, dass die überlebenden Raucher statistisch gesehen langlebiger erscheinen.
Zum Abschluss jetzt aber die detaillierte Auflösung unserer Mitmach-Aufgabe zur scheinbaren Frauendiskriminierung an der Universität:
Die Wirkung des Simpson-Paradoxons am Beispiel weiblicher und männlicher Bewerber um Graduiertenplätze
1
Zitiert nach Julian Havil/M.Stern: Verblüfft? Mathematische Beweise unglaublicher Ideen . Berlin/Heidelberg 2009.
2
Die extremsten Wahlkreis-Manipulationen sind allerdings bei einem reinen Mehrheitswahlrecht möglich, wie es in Großbritannien, Frankreich und zum Teil in den USA gilt. Man bezeichnet das Verfahren in den USA als Gerrymandering – nach Elbridge Gerry, einem früheren Gouverneur des US-Bundesstaates Massachusetts, der dort 1812 einen abstrus salamanderförmigen Wahlkreis geschaffen haben soll, um die Oppositionspartei im Parlament so klein wie möglich zu halten. Dazu www.wahlrecht.de , Spezial: Wahlrechtslexikon, Wahlkreisgeometrie; Wikipedia.de : Gerrymandering
3
Hans-Peter Beck-Bornholdt/Hans-Hermann Dubben: Der Hund, der Eier legt, a.a.O., S. 203f.; dieselben: »Das Will-Rogers-Phänomen
und seine Bedeutung für die bildgebende Diagnostik«, in: Der Radiologe , April 2009, S. 348 – 354.
4
Nach Wikipedia.de : Simpson-Paradoxon.
5
Weitere juristische Beispiele finden Sie in Gerd Gigerenzer: Das Einmaleins der Skepsis. Über den richtigen Umgang mit Zahlen und Risiken. Berlin 2003.
6
Hans-Peter Beck-Bornholdt/Hans-Hermann Dubben: Der Hund, der Eier legt , a.a.O., S. 196ff.
Kapitel 10
Der Sack der Rosstäuscher
… ist geräumig. In den ersten neun Kapiteln haben wir verschiedene Methoden des Tricksens und Täuschens herausgeholt, doch leer ist der Sack noch lange nicht. Wir holen jetzt neun weitere Instrumente heraus und gestatten Ihnen einen flüchtigen Blick in der Hoffnung, dass dieser inzwischen so geschärft ist, dass einige Andeutungen genügen.
Neun weitere Zahlentricks
3. Definitionen: Was ist ein Arbeitsloser? Ein Betrieb? Eine Tonne Kohlendioxid?
»Im Mai 2010 nur noch 3,24 Millionen Arbeitslose. 217 000 weniger als im Mai des Vorjahres.« Die Bundesagentur für Arbeit gibt es uns amtlich: Wir können uns über den Aufschwung freuen. Jene Freunde, Bekannte, vielleicht auch Kinder indessen, die trotz vieler Bemühungen immer noch keine Arbeit gefunden haben, haben wohl nur Pech gehabt. Aber Achtung, es gibt eine Wahrheit jenseits der Schlagzeilen! Die Bundesagentur für Arbeit lässt sich in ihren ausführlichen Monatsberichten
auch tiefer in die Zahlen schauen. Dort lesen wir beispielsweise für den Mai 2010:
Stand Mai 2010
3,242 Mio.
registrierte Arbeitslose
5,834 Mio.
Arbeitssuchende
5,918 Mio.
erwerbsfähige Empfänger von Geldleistungen (Arbeitslosengeld I und II; ohne Doppelzählungen)
Veränderungen zu Mai 2009
– 217 Tsd.
registrierte Arbeitslose
— 129 Tsd.
Arbeitssuchende
– 6 Tsd.
erwerbsfähige Empfänger von Geldleistungen
Daten des Monatsberichts Mai 2010 der Bundesagentur für Arbeit, zitiert nach Bremer Institut für Arbeitsmarktforschung und Jugendberufshilfe, 1. 6. 2010
Hallo? Wohin verschwinden denn die ganzen Arbeitssuchenden und Geldempfänger bei der Statistik-Erstellung? Und warum sind bei den absoluten Zahlen die registrierten Arbeitslosen am kleinsten, bei der Verbesserung zum Vorjahr aber deutlich am größten? Manipulation!? Ja und nein – es ist jedenfalls alles ganz legal und ergibt sich aus der Definition des »registrierten Arbeitslosen«. Als solche gelten nämlich nicht: die meisten Über-58-Jährigen, die Kranken, die 1-Euro-Jobber und diverse andere Sondergruppen. Die Details würden hier den Rahmen sprengen; die finden Sie ausführlich in den Veröffentlichungen des oben zitierten Bremer Instituts.
Ein besonders dreistes Detail wollen wir Ihnen aber doch nicht vorenthalten: Seit dem 1. 5. 2009 werden Jobsucher, die von privaten Trägern wie den Berufsbildungszentren betreut werden, nicht mehr als Arbeitslose
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