Lügenbeichte
die Tür. Die Tür öffnete sich sofort, als würde sie bereits erwartet. Ein junger Mann stand vor ihr.
»Josefine! Was für eine Überraschung! Komm rein!«
Sie erkannte Robert nur an seinem zaghaften Lächeln. Er hatte eine Kappe auf, mit Nackenschutz, als käme er gerade aus der Wüste. Dazu trug er eine grüne adidas -Jacke und eine graue Jogginghose, die wohl mal weiß gewesen war. An den Füßen blaue Badelatschen. Er war gut anderthalb Köpfe größer als sie und ganz schön dick. Den Reißverschluss seiner Jacke würde er wahrscheinlich gar nicht mehr zukriegen, obwohl es ja elastischer Stoff war. Er lächelte sie immer noch an.
»Das ist so schön, dass du mich mal besuchen kommst!«
»Ja«, sagte Josi. »Lange nicht gesehen.«
»Genau vier Jahre, zwei Monate und sieben Tage.«
Josi stutzte. »Wirklich?«
»Kleiner Scherz.« Er lachte. Es war eine sehr hohe Lache für so einen großen, stämmigen Mann. »Aber vier Jahre sind es bestimmt.« Er rückte seine Kappe zurecht, sie konnte seine Augen nicht erkennen, er hatte denSchirm zu tief ins Gesicht gezogen. Auf seinen Wangen ein schwarzer Bartschatten. Dass Robert nun ein Bart wuchs, dem zierlichen, kleinen Robert … verrückt, wie sehr man sich verändern konnte. So, wie er aussah, ernährte er sich wohl nur von Junkfood und Süßigkeiten. Kannte man ja von Computerfreaks. Sein linker Mundwinkel zuckte zweimal hintereinander. Seinen Tick hatte er also immer noch.
Es roch muffig in dem Raum, als wäre schon lange nicht mehr gelüftet worden. Robert musterte sie. »Ja, Josefine, vier Jahre!« Er fing wieder an zu lachen. Was war daran so lustig? »Und trotzdem ist es, als hätten wir uns erst gestern gesehen. Findest du nicht?«
Dem konnte sie nicht gerade zustimmen.
Sein Lachen verstummte so plötzlich, wie es begonnen hatte. Er fasste sie brüderlich an die Schulter und sagte: »Komm rein in die gute Stube!«
Josi zögerte. Robert führte sie in einen großen, rechteckigen Raum – der mit den heruntergelassenen Rollläden. Auf einem langen Holztisch in der Mitte standen vier eingeschaltete Computer. Überall Kabel, Mehrfachsteckdosen. Licht kam nur von den Monitoren und durch die Ritzen der Rollläden. Die Luft war hier noch dicker als auf dem Flur und es roch angebrannt. Außerdem war es kalt, gruftig.
»Robert, hast du gerade irgendwas auf dem Herd?« Sie schaute auf die Küchenzeile, mit Theke und Barhocker links im Raum. Aber außer einem Turm ineinandergestapelter schmutziger Töpfe und Teller konnte sie nichts auf dem Herd erkennen.
»Ach, das sind meine Computer. Sie werden manchmalsehr, sehr heiß. Dann verbrennen sie Staub und Fliegen. Und dann gibt es noch den Toaster«, sagte Robert, als spräche er von einem gefährlichen Tier. Er grinste. Sein Mundwinkel zuckte. Dann hechtete er an ihr vorbei und warf sich auf einen Bürostuhl, rollte damit an einen der Computer und tippte wild auf eine Tastatur ein. Auf dem Bildschirm erschienen nur Zahlen und Zeichen, die von selbst weiterliefen.
»Setz dich doch, Josefine – Josi.«
Wie er ihren Namen aussprach. Hörte sie bei Josi nicht einen spöttischen Unterton? Er deutete auf einen Stuhl neben sich.
Sie setzte sich. Ihre Beine waren weich. Sie war wirklich noch müde und erschöpft von den letzten Tagen. Und ihr Magen war auch immer noch flau. Irgendwie war ihr unbehaglich, am liebsten wäre sie gleich wieder gegangen.
Sitzen tat gut. Auf drei der Monitore schlängelten sich Muster über die Bildschirme, Linien flossen ineinander, wurden mal groß, mal ganz klein, verschwanden im Nichts, tauchten wieder auf und wechselten Form und Farbe. Diese psychedelischen Bildschirmschoner hatten sie schon immer nervös gemacht, wirkten hypnotisierend, weil sie nicht von ihnen ablassen konnte, ihnen zuschauen musste. Die Ventilatoren der Computer surrten. An der Wand hinter ihr hingen drei Kreuze. In der Mitte eins mit einem dürren, toten Jesus. Josi fand den Anblick eines Kruzifix' immer schon schrecklich.
»Das ist mein Revier«, sagte Robert und machte eine weitumgreifende Handbewegung. Es standen nochmehr Rechner auf dem Boden, unter dem Fenster, aber ausgeschaltet.
»Ich habe mir die Rechner selbst zusammengebaut und gebastelt, alles genau auf meine Bedürfnisse abgestimmt.«
»Toll. Hat Barbara schon erzählt, dass du dich da auskennst. Ich verstehe gar nichts von Computern.« Es tat gut, Barbaras Namen zu erwähnen. Sie fühlte sich gleich nicht mehr so … allein.
»Ja, ich weiß«,
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