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Lügenbeichte

Lügenbeichte

Titel: Lügenbeichte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Beate Dölling
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Vermieter.«
    »Nein.«
    »Hat er es vermietet?«
    »Nein.«
    »Hast du mit ihm … zu tun?«
    »Nein!«, brüllte Robert. Seine Nasenflügel bebten. Eine Frage mehr und er würde ausrasten. Sie biss sich auf die Lippe. Sie konnte auf keinen Fall weiterfragen.
    »Robert, wo ist die Toilette?«
    »Was? Wieso?« Er hob den Kopf. Sein linker Mundwinkel zuckte zweimal.
    »Ich muss mal«, sagte sie sanft und versuchte zu lächeln. Das entspannte ihn tatsächlich.
    »Ja. Klar«, sagte er leise und deutete zur Tür. Und dann prasselte er los: »Der ›Alte‹ ist auf Weltreise. Ich passe auf das ganze Haus auf, damit keiner einbricht. Aber hierbricht keiner ein. Er ist sehr ängstlich. Er will, dass immer alle Rollläden zu sind, obwohl es eine Funk-Alarmanlage im Haus gibt, mit aktivem Einbruchschutz.«
    Was redete er da?
    »Ach so.« Josi stand schon an der Tür und hatte die Klinke in der Hand. Von hier konnte sie gut in den angrenzenden Raum schauen, sein Schlafzimmer. Sie sah ein zerwühltes Bett, Klamotten auf dem Boden verstreut, einen Stuhl. Robert starrte sie an, als hätte er sie noch nie gesehen.
    »Das Klo?«
    »Über den Flur, nächste Tür rechts.«
    Sie ging in den Flur. Im Bad atmete sie auf. Komisch – besonders, dass der alte Mann auf Weltreise sein sollte.
    Warum war ihr nur so eng in der Brust? Wahrscheinlich wegen der Aufregung, immerhin war Robert ihr »großer Bruder«, den sie lange Zeit nicht gesehen hatte. Und er hatte sich ja immer schon seltsam verhalten. Sie war es nur nicht mehr gewohnt. Vielleicht stimmte das ja auch gar nicht mit der Weltreise. Vielleicht träumte Robert von so einer Reise und projizierte seine Wünsche auf andere. – Gut möglich, bei Robert.
    Das Bad war groß und hell, mit einer vergitterten Milchglasscheibe. Weiße Wände, rundes Waschbecken. Alles sehr karg und dreckig. Der Spiegel fast blind vor Zahnpastaspritzern und die Toilette hatte wohl auch noch nie eine Klobürste gesehen. Die Klobrille war hochgeklappt. Josi mochte sie nicht anfassen und ließ sie so.
    Über der Badewanne hingen graue Handtücher. Auf der Konsole nur ein Rasierpinsel und eine Dose Rasierschaum.Robert rasierte sich also nass. Früher hatte er immer mit Thomas' elektrischem Rasierapparat gespielt, sich damit rasiert, aber auch telefoniert oder Fotos gemacht. Oder Josi damit geweckt. Er hatte ihr den eingeschalteten Rasierer ans Ohr gehalten oder war ihr damit über die Schulter gefahren. Josi war jedes Mal aufgeschreckt und hatte ihn angeschnauzt, sie in Ruhe zu lassen. Sie mochte das Geräusch nicht und schon gar nicht die rotierenden Messer auf der Haut. Später hatte er ihn dann als eine Art Diktiergerät benutzt, in das er Beobachtungen und Geheimnisse gesprochen hatte. Josi war das damals peinlich gewesen, dass ihr »großer Bruder« ständig mit einem Rasierapparat herumlief und zu ihm sprach.
    Sie wusch sich die Hände, hörte ein Geräusch auf dem Flur – wie schlappende Badelatschen. Lauschte Robert etwa vor der Tür? Sie horchte, hörte nichts mehr, nur ihr Herz. Sie wischte die Hände an der Hose trocken, wollte gerade gehen, da fiel ihr auf, dass etwas auf der Konsole fehlte: ein Rasiermesser.

Ich will euch trösten, wie einen seine Mutter tröstet.
17:02
    »Also, bis dann.« Josi steckte den Kopf einen Spalt durch die Tür.
    Robert saß, über eine Tastatur gebeugt, ganz dicht vor dem Bildschirm. Sein Gesicht schimmerte blau. Sie war nicht sicher, ob er sie gehört hatte. Aber dann schaute er hoch und drehte sich in ihre Richtung.
    »Du hast deinen Kaffee nicht getrunken. Das ist unhöflich.«
    »Ach komm.« Josi versuchte, locker zu lachen.
    »Nein, wirklich. Das tut man nicht, Josefine, setz dich hin, trink deinen Kaffee und ich zeige dir ein witziges Spiel.«
    »Robert, ich möchte jetzt nicht spielen. Ich muss los.«
    »Wohin?«
    »Zu Lou.«
    Er sah sie an und zog einen Flunsch. »Ach, für Lou hast du Zeit zum Spielen, aber für mich nicht. Bitte, nur ein kleines Spiel, ja?«
    Alles in ihr schrie danach, jetzt zu gehen, jetzt sofort, aber sie hörte sich sagen: »Na gut. Aber nur ein kleines Spiel.«
    Er strahlte wie ein Kind, das bei einer Verlosung was gewonnen hatte, sprang auf und schob ihr einen Stuhl neben sich und fuhr den Computer am Fenster hoch.
    »Kennst du Angry Birds ?«
    »Nein.«
    »Das kennt jeder.«
    »Ich spiele keine Computerspiele.«
    »Ach ja, du spielst lieber andere Spiele.«
    Was sollte denn die Bemerkung? Sie stutzte, verkniff sich, nachzuhaken, wie

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