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Luegenbeichte

Luegenbeichte

Titel: Luegenbeichte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Beate Doelling
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wollte das Telefon gerade an Herrn Werner zurückgeben, da zog Marina an seinem Arm.
    »Lass mich doch mal gucken. – Oh Gott, die sieht ja furchtbar aus! Aber man kann sie ja gar nicht erkennen. Das ganze Gesicht ist von Haaren verdeckt, völlig nass.«
    »Ja«, sagte Herr Werner, ließ sich das Handy wiedergebenund blätterte ein Foto weiter. »Schauen Sie sich das nächste Foto an.«
    Josi zerbiss eine Faser Fruchtfleisch. Aus der Gerichtsmedizin, hatte Herr Werner gesagt. Dann lag die Frau wohl nackt auf dem Seziertisch. Sie kannte das von Krimis her, wenn die Angehörigen zum Identifizieren kommen mussten und dann beim Anblick zusammenbrachen. Josi wurde übel. Hoffentlich war Lou noch am Leben!
    »Nein«, hörte sie Thomas noch mal sagen.
    Marina sagte auch: »Nein, nie gesehen.«
    Thomas gab Herrn Werner das Telefon zurück.
    Herr Werner schaute Josi an. Josis Herz fing an zu rasen. – Bloß nicht ich, dachte sie und hielt sich mit beiden Händen am Glas fest.
    »Wir wissen jetzt, dass sie eine Studentin der FU war und Produktdesign studierte, bei Ihnen, Herr Herzberg.«
    »Was? Eine Studentin von dir, Thomas?«, rief Marina. Josi sah, wie er mit den Backenzähnen mahlte, er war auch ganz weiß im Gesicht.
    »Ich habe so viele Studenten …«, sagte er. Josi hörte, wie dünn seine Stimme war, als hätte er keine Kraft zum Reden. Er mied ihren Blick. Warum?
    »Ich habe Ihnen ja vorhin schon gesagt, sie heißt Lilian Sander oder auch Lilli Sander«, sagte Herr Werner. »Überlegen Sie doch mal ganz scharf. Vielleicht sagt Ihnen der Name ja doch was?«
    Thomas zögerte, schüttelte jedoch den Kopf. Sogar seine Lippen waren weiß. Warum? Was wollte er verbergen? Josi stellte den Orangensaft auf den Tisch.
    »Kann ich die Fotos mal sehen?« Sie nahm alle Kraft zusammen.
    Herr Werner sah sie an, dann Thomas. Er zögerte. »Ihre Tochter ist noch nicht volljährig. Darf ich ihr das Foto zeigen?«
    Thomas stutzte. »Bitte, Papa«, sagte Josi.
    »Sei darauf gefasst, dass du ein Foto von einer leblosen Person siehst. Ich meine, sie ist nicht blutig oder entstellt, aber trotzdem ist sie tot.«
    Thomas nickte. Josi ging zu Herrn Werner und nahm ihm das Smartphone ab.
    Sie wagte einen Blick. Auf dem ersten Foto war wirklich kaum ein Gesicht zu erkennen, vor lauter nasser Haare und Dreck, aber auf dem zweiten Foto war nur ein Gesicht zu sehen, frontal von oben fotografiert, sauber und mit geschlossenen Augen. Selbst die Wimperntusche, die auf dem ersten Foto über die Wange, bis zu den Ohren verlaufen war, war auf dem zweiten Foto abgewischt. Sie schminken also die Leichen ab, dachte Josi und merkte, wie ihre Finger zitterten. Die Erinnerung kam wie ein Stromschlag. Sie hätte das Telefon beinahe fallen gelassen.
    »Was ist?«, fragte Herr Werner. »Kennst du die Person?«
    »Ah«, kam aus ihrem Mund.
    Thomas Gesicht war plötzlich vor ihrem. »Was ist los, Josefine?«
    Josi konnte immer noch kein Wort sagen. Sie sah sich noch mal das erste Foto an. Dieser Frau hatte sie doch gestern Marinas Regenmantel geliehen!

Fass ihn nicht an, er stinkt! Er tut dir weh! Nimm mich in dein Bett!
11:57
    Josi hätte gern ihr Leben zurückgespult, bis gestern, Samstag, als es anfing zu regnen und sie mit Lou in der Küche war und Muffins buk. Sie hätte von Anfang an alles anders gemacht, Max abgesagt, mit Lou einen Film geguckt und ihn in ihrem Bett schlafen lassen. Dann wäre er jetzt noch da. Nur der jungen Frau hätte sie wahrscheinlich wieder den Regenmantel angeboten, warum auch nicht?
    Sie hatte sie völlig aus ihrem Gedächtnis gestrichen, weil sie nur eins im Kopf gehabt hatte: Max!
    Wie sie da vor der Tür stand, mit tief ausgeschnittenem Sommerkleid und dann diese hauchzarten roten Stöckelschuhe. Josi versuchte, sich jedes Detail vor Augen zu führen.
    »Frau Herzberg?«, hatte die junge Frau Josefine angesprochen. In dem Moment blitzte es und ein Platzregen ging los. Josi hatte sich gewundert, dass das Mädchen sie so ansprach. Sie sah nicht viel älter aus als sie, zwei, drei Jahre vielleicht, da siezte man sich doch nicht.
    »Ist Ihr Mann da?«
    »Sie meinen meinen Vater?«
    »Ach … Sie sind gar nicht Marina …?« Sie lachte gepresst.
    »Nein, ich bin Josefine Herzberg.« Wenn Josi eins nicht leiden konnte, war es, mit Marina verwechselt zuwerden. »Mein Vater ist nicht da. Kann ich ihm was ausrichten?«
    »Marina auch nicht?«
    Sie schien die beiden also gut zu kennen. Aber wenn sie Marina kannte, warum hatte sie Josi

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